Weihnachtsgedichte
“Schenken” von Joachim Ringelnatz “Ein winterliches Gedicht” von Alexander Puschkin “Zum neuen Jahr” von Johannes Wolfgang von Goethe “Ein Traum” von Heinrich Hoffmann von Fallersleben
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Schenken
Schenke groß oder klein, Aber immer gediegen. Wenn die Bedachten Die Gaben wiegen, Sei dein Gewißen rein. Schenke herzlich und frei. Schenke dabei Was in dir wohnt An Meinung, Geschmack und Humor, So daß die eigene Freude zuvor Dich reichlich belohnt. Schenke mit Geist ohne List. Sei eingedenk, Daß dein Geschenk Du selber bist.
Joachim Ringelnatz
Ein winterliches Gedicht
Erst gesten war es, denkst du daran? Es ging der Tag zur Neige. Ein böser Schneesturm da begann und brach die dürren Zweige. Der Sturmwind blies die Sterne weg, die Lichter, die wir lieben. Vom Monde gar war nur ein Fleck, ein gelber Schein geblieben. Und jetzt? So schau doch nur hinaus: Die Welt ertrinkt in Wonne. Ein weißer Teppich liegt jetzt aus. Es strahlt und lacht die Sonne. Wohin du siehst: Ganz puderweiß geschmückt sind alle Felder. der Bach rauscht lustig unterm Eis. Nur finster stehn die Wälder.
Alexander Puschkin (1799-1837)
Zum neuen Jahr
Zwischen dem Alten, Zwischen dem Neuen Hier uns zu freuen, Schenkt uns das Glück, Und das Vergangne Heißt mit Vertrauen Vorwärts zu schauen, Schauen zurück.
Stunden der Plage, Leider, sie scheiden Treue von Leiden, Liebe von Lust; Bessere Tage Sammlen uns wieder, Heitere Lieder Stärken die Brust.
Leiden und Freuden, Jener verschwundnen, Sind die Verbundnen Fröhlich gedenk. O des Geschickes Seltsamer Windung! Alte Verbindung, Neues Geschenk!
Dankt es dem regen, Wogenden Glücke, Dankt dem Geschicke Männiglich Gut, Freut euch des Wechsels Heiterer Triebe, Offener Liebe, Heimlicher Glut!
Andere schauen Deckende Falten Über dem Alten Traurig und scheu; Aber uns leuchtet Freundliche Treue; Sehet, das Neue Findet uns neu.
So wie im Tanze Bald sich verschwindet, Wieder sich findet Liebendes Paar; So durch des Lebens Wirrende Beugung Führe die Neigung Uns in das Jahr.
Johann Wolfgang von Goethe
Der Traum
Ich lag und schlief, da träumte mir ein wunderschöner Traum: Es stand auf unserm Tisch vor mir ein hoher Weihnachtsbaum.
Und bunte Lichter ohne Zahl, die brannten rings umher; die Zweige waren allzumal von goldnen Äpfeln schwer.
Und Zuckerpuppen hingen dran; das war mal eine Pracht! Da gab's, was ich nur wünschen kann und was mir Freude macht.
Und als ich nach dem Baume sah und ganz verwundert stand, nach einem Apfel griff ich da, und alles, alles schwand.
Da wacht' ich auf aus meinem Traum und dunkel war's um mich: Du lieber schöner Weihnachtsbaum, sag an, wo find ich dich?
Da war es just, als rief er mir: Du darfst nur artig sein, dann steh ich wiederum vor dir - jetzt aber, schlaf nur ein!
Und wenn du folgst und artig bist, dann ist erfüllt dein Traum, dann bringet dir der heil'ge Christ den schönsten Weihnachtsbaum!
Heinrich Hoffmann von Fallersleben
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