Auf dieser Seite finden Sie immer mal wieder ein Gedicht, Texte aus der Literatur, kleine Reiseberichte zu interessanten Gärten, oder auch Buchempfehlungen. Klicken Sie auf einen Link oder blättern Sie einfach nach unten...

Reiseeindruck von Soglio/Schweiz und ein Gedicht von Rilke...
Ich will den Herbst... Rilke
“Natur” Text aus Goethes Umfeld
Vergänglichkeit... Hesse
Erinnerung an eine Reise im Sommer...
Karel Capek “Das Jahr eines Gärtners”
Nietzsche - Das Trunkene Lied
Die Steinpalme
Der wundersame Bergkristall
Novembernebel... Hesse
Frostiger Gartenrundgang... Rilke
Karel Capek: Das Jahr des Gärtners, “Der Gärtner im Januar”
Wolfgang Borchert: “Versuch es!”
Hermann Hesse: “Musik des Einsamen”
Nicht sich trösten zu wollen.. R. M. Rilke
Das ist die Sehnsucht: Wohnen im Gewoge... Rilke
Kein Weg - Nur Gehen: Ein Waldspaziergang... Rilke
Karel Capek Das Jahr des Gärtners. “Der Gärtner im März”
Wiedergeburt Hesse: Kindheit des Zauberers
Reisesehnsucht... Stundenzeiger des Lebens: Nietzsche
Reiseerinnerung und Verwandlung
Winterfest... Hesse: Narziß und Goldmund
Gartenrundgang mit Bernhard Theis
Sonnenuntergangsfreuden... Rilke!
Wintermorgen im Gartenhäuschen
Was ist eigentlich Zeit?
Morgen im Frühlingswald, Rilke
Sommer
Karel Capek: Das Jahr des Gärtners “Wie man einen Garten anlegt”
Veredle Dich!

Frühling!

 

 

 

 

 

 

Reiseeindruck von Soglio...

Die Gedichte von Rainer Maria Rilke wie auch die von Hermann Hesse gehören ganz fest in mein tägliches Leben.
Im Juni habe ich Soglio besucht, das Bergdorf im schweizerischen Bergell wo Rilke einen Teil seines Lebens verbracht hat. Dieses Bergdorf  hat eine ganz zauberhafte Ausstrahlung. Unbeschreiblich schön, an einen Berg gebaut…mit dem Blick nach Italien. Das Licht ist schon das Licht des Südens. Blickt man nach Norden sieht man einige scharf gewachsene Berge. Man fühlt sich wie zwischen zwei Welten. Wer in Soglio war spürt warum auch Rilke dieses Bergdorf so liebte.

 

Ich lebe mein Leben
In wachsenden Ringen,
Die sich über die
Dinge ziehen.
Ich werde den letzten
Vielleicht nicht vollbringen
Aber versuchen
Will ich ihn.
Ich kreise um Gott,
Um den uralten Turm
Und ich kreise
Jahrtausendelang
Und ich weiß noch nicht:
Bin ich ein Falke,
Ein Sturm
Oder ein großer
Gesang.

R. M. Rilke

 

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Herbsttag

 

Herr es ist Zeit. Der Sommer war groß.
Leg deinen Schatten auf die Sonnenuhren,
und auf den Fluren lass die Winde los.

Befiehl den letzten Früchten voll zu sei;
gib ihnen noch zwei südliche Tage,
dränge sie zur Vollendung hin und jage
die letzte Süße in den schweren Wein.

Wer jetzt kein Haus hat baut sich keines mehr.
Wer jetzt allein ist , wird es lange bleiben,
wird wachen, lange Briefe schreiben
und wird in den Alleen hin und her
unruhig wandern, wenn die Blätter treiben.

R. M. Rilke

 

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“Natur”

In einem ganz bezauberndem Gedichtbüchlein, mit dem Titel „ Schläft ein Lied in allen Dingen“, das mir vor kurzem eine liebe Freundin  zum Geschenk machte habe ich im Anhang einen sehr überraschenden Text gefunden. Dieser Text stammt aus dem Umfeld Goethes und ist wohl 1782 oder 1783 im 32. Stück des handschriftlich geführten Journal von Tiefenfurt in der Handschrift von Goethes Schreiber Seidel mit eigenhändigen Korrekturen von Goethe , erschienen. Nach Frau von Stein hatte er den Schweizer Theologen Georg Christoph Tobler, der sich von Mai bis November 1781 in Weimar aufhielt, zum Verfasser. Goethe, 1828 noch einmal auf diesen Text angesprochen, antwortete:“ Dass ich diese Betrachtungen verfasst, kann ich mich zwar faktisch nicht erinnern, allein sie stimmen mit den Vorstellungen wohl überein, zu denen sich mein Geist damals ausgebildet hatte.“

Nun der Text..

„Die Natur“

Natur! Wir sind von ihr umgeben und umschlungen- unvermögend aus ihr herauszutreten, und unvermögend tiefer in sie  hineinzukommen. Ungebeten und ungewarnt nimmt sie uns in ihren Kreislauf ihres Tanzes auf und treibt sich mit uns fort, bis wir ermüdet sind und in ihrem Arme entfallen.
Sie schafft ewig neue Gestalten; was da ist war noch nie, was war kommt nicht wieder. Alles ist neu und doch immer das Alte.
Wir leben mitten in ihr und sind ihre Fremde. Sie spricht unaufhörlich mit uns und verrät uns ihr Geheimnis nicht.
Wir wirken beständig auf sie und haben doch keine Gewalt über sie.
Sie scheint alles auf Individualität angelegt zu haben und macht sich nichts aus Individuen. Sie baut immer und zerstört immer und ihre Werkstätte ist unzugänglich.
Sie lebt in lauter Kindern, und die Mutter, wo ist sie? - Sie ist die einzigste Künstlerin :aus dem simpelsten Stoffe zu den größten Kontrasten: ohne Schein der Anstrengung zu der größten Vollendung- zur genauesten Bestimmtheit immer mit etwas Weichem überzogen. Jedes ihrer Werke hat sein eigenes Wesen, jede ihrer Erscheinungen den isoliertesten Begriff und doch macht alles ein aus.
Sie spielt ein Schauspiel: ob sie es selbst sieht, wissen wir nicht, und doch spielt sie’s für uns, die wir in der Ecke stehen.
Es ist ein ewiges Leben Werden und Bewegen in ihr und doch rückt sie nicht weiter. Sie verwandelt sich ewig und ist kein Moment Stillstehen in ihr. Fürs Bleiben hat sie keinen Begriff und ihr Fluch hat sie ans Stillstehen gehängt. Sie ist fest. Ihr Tritt ist gemessen, ihre Ausnahmen selten, ihre Gesetze unverwandelbar.
Gedacht hat sie und sinnt beständig; aber nicht als ein Mensch sondern als Natur.
Sie hat sich einen eigenen allumfassenden Sinn vorbehalten, den ihr niemand abmerken kann.
Die Menschen sind alle in ihr und sie in allen. Mit allen treibt sie ein freundliches Spiel, und freut sich, je mehr man ihr abgewinnt. Sie treibt’s mit vielen so im verborgenen, das sie’s zu Ende spielt, ehe sie’s merken.
Auch das Unnatürlichste ist Natur. Wer sie nicht allenthalben sieht, sieht sie nirgendwo recht.
Sie liebet sich selber und haftet ewig mit Augen und Herzen ohne Zahl an sich selbst. Sie hat sich auseinandergesetzt um sich selbst zu genießen. Immer lässt sie neue Genießer erwachsen, unersättlich sich mitzuteilen.
Sie freut sich an der Illusion.
Wer diese in sich und andern zerstört den straft sie als der strengste Tyrann.
Wer ihr zutraulich folgt, den drückt sie wie ein Kind an ihr Herz.
Ihre Kinder sind ohne Zahl.
Keinem ist sie überall karg, aber sie hat Lieblinge, an die sie viel verschwendet und denen sie viel aufopfert. Ans Größe hat sie ihren Schutz geknüpft.
Sie spritzt ihre Geschöpfe aus dem Nichts hervor, und sagt ihnen nicht, woher sie kommen und wohin sie gehen.
Sie sollen nur laufen. Die Bahn kennt sie.
Sie hat wenige Triebfedern , aber nie abgenutzte, immer wirksam, immer mannigfaltig.
Ihr Schauspiel ist immer neu, weil sie immer neue Zuschauer schafft. Leben ist ihre schönste Erfindung, und der Tod ist ihr Kunstgriff viel Leben zu haben.
Sie hüllt den Menschen in Dumpfheit ein und spornt ihn ewig zum Lichte. Sie macht ihn abhängig zur Erde, träge und schwer und schüttelt ihn immer wieder auf.
Sie gibt Bedürfnisse, weil sie Bewegung liebt. Wunder, dass sie alle diese Bewegung mit so wenigem erreichte. Jedes Bedürfnis ist Wohltat. Schnell befriedigt, schnell wieder erwachsend. Gibt sie eins mehr, so ist’s ein neuer Quell der Lust. Aber sie kommt bald ins Gleichgewicht.
Sie setzt alle Augenblicke zum längsten Lauf an und kommt alle Augenblicke ans Ziele.
Sie ist die Eitelkeit selbst; aber nicht für uns, denen sie sich zur größten Wichtigkeit gemacht hat.
Sie lässt jedes Kind an ihr künsteln, jeden Toren über sie richten, tausend stumpf über sie hingehen und nichts sehen und hat an allen ihre Freude und findet bei allen ihre Rechnung.
Man gehorcht ihren Gesetzen, auch wenn man ihnen widerstrebt, man wirkt mit ihr, auch wenn man gegen sie wirken will.
Sie macht alles, was sie gibt, zur Wohltat, denn sie macht es erst unentbehrlich. Sie säumet, dass man sie verlange, sie eilet, dass man sie nicht satt werde.
Sie hat keine Sprache noch Rede, aber sie schafft Zungen und Herzen durch die sie fühlt und spricht.
Ihre Krone ist die Liebe. Nur durch sie kommt man ihr nahe. Sie macht Klüfte zwischen allen Wesen und alles will sich verschlingen. Sie hat alles isolieret um alles zusammenzuziehen. Durch ein paar Züge aus dem Becher der Liebe hält sie für ein Leben voll Mühe schadlos.
Sie ist alles. Sie belohnt sich selbst und bestraft sich selbst, erfreut und quält sich selbst. Sie ist rau und gelinde, lieblich und schröklich, kraftlos und allgegenwärtig. Alles ist immer Gegenwart ist ihre Ewigkeit. Sie ist gütig. Ich preise sie mit all ihren Werken. Sie ist weise und still. Man reißt ihr keine Erklärung vom Leibe, trutzt ihr kein Geschenk ab, das sie nicht freiwillig gibt. Sie ist listig, aber zu gutem Ziele, und am besten ist’s, ihre List nicht zu merken.
Sie ist ganz und doch immer unvollendet. So wie sie’s treibt, kann sie’s immer treiben.
Jedem erscheint sie in ihrer eigenen Gestalt. Sie verbirgt sich in tausend Namen und Themen und ist immer dieselbe.
Sie hat mich hereingestellt, sie wird mich auch herausführen. Ich vertraue mich ihr. Sie mag mit mir schalten. Sie wird ihr Werk nicht hassen. Ich sprach nicht von ihr. Nein, was wahr ist und was falsch ist, alles hat sie gesprochen. Alles ist ihre Schuld, alles ist ihr Verdienst.

 

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Vergänglichkeit

Die Nächte werden nun kälter, obwohl uns die Sonne noch immer verwöhnt und ich diesen Goldenen Herbst bisher so richtig in mich aufgenommen habe, so fällt mir in diesem Jahr der Abschied vom Sommer ganz besonders schwer. Heute habe ich in Gedanken oft an das Gedicht „ Vergänglichkeit“ von H. Hesse gedacht.

 

Vergänglichkeit

Vom Baum des Lebens fällt
Mir Blatt um Blatt,
O taumelbunte Welt,
Wie machst du satt,
Wie machst du satt und müd,
Wie machst du trunken!
Was heut noch glüht,
Ist bald versunken.
Bald klirrt der Wind
Über mein braunes Grab,
Über das kleine Kind
Beugt sich die Mutter herab.
Ihre Augen will ich wiedersehn,
Ihr Blick ist mein Stern,
Alles andre mag gehen und verwehn,
Alles stirbt, alles stirbt gern.
Nur die ewige Mutter bleibt,
Von der wir kamen,
Ihr spielender Finger schreibt
In die flüchtige Luft unsre Namen.

H. Hesse

 

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Erinnerung an eine Reise im Sommer

Heute war ein wunderschöner Herbsttag die Sonne hatte noch etwas Wärme und tauchte die bunten Sträucher in goldenes Licht. Wie eine leise Mahnung wurde der Wind aber immer frischer und kälter. Nachdem nun unzählige Boretschpflanzen und die verblühten Ringelblumen etwas traurig auf dem Kompost gelandet sind, knie ich auf der Erde um noch ein paar versteckte Zwiebeln zu ernten. Ich liebe es sehr mich ganz in die Gartenerde zu versenken. Der würzige Geruch der  Erde umhüllte mich. Einfach eintauchen in die letzten warmen Sonnenstrahlen und nichts ist mehr Gegenwart.
Meine Gedanken reisen zurück zum Beginn des Sommers. Die Erinnerung an eine kleine Reise wird lebendig.
Ich war an einem ganz außergewöhnlichen, spirituellen  „Kraftort“. Ein Platz der dem Geist Flügel verleiht…so hat dies auch ein deutscher Dichter und Philosoph ausgedrückt, und für manchen Literaten war er Erholungsort und Inspiration zugleich. Dieser kleine Ort liegt zwischen zwei kristallklaren Seen, Augen des Himmels. Die Luft schmeckt nach Blumenwiesen und Leben. Sie ist prickelnd, und jeder Atemzug wird zum Genuss. Dieser Ort liegt über 1800 Meter über dem Meeresspiegel…
Das Licht hat ein besonderes Leuchten, eine unsagbare Intensität, schon ein wenig das weiche Licht des Südens aber mit einer kraftvollen Stärke.
Alle Sinne sind plötzlich zu einem intensiven Erleben erwacht.
Ich war da alleine, aber nicht wirklich alleine. Ich war ganz eines mit der Welt, mit dem See, den Bergen, dem Leben und dem Tod. Und ich hätte da bleiben können, ohne dass mir je etwas gefehlt hätte. Alle die schon einmal da waren und diese Magie spürten kamen…und kommen immer wieder. Ein geheimer Ort, Lebensquell für alle Eingeweihte, ein Zufluchtsort.
Hier könnte nun meine kleine Reiseerinnerung enden.
Doch da war noch etwas. Ich druckte mir diese Zeilen aus um sie in der Nacht noch mal zu lesen. Ich saß da um mich herum lagen ein paar Lieblingsbücher. Ich versuchte es kurz mit einem spannenden Jugendbuch.. Nein. Dann mit einer Gartengeschichte. Auch nicht. Ich spürte in mich hinein. Gedichte. Zuerst, wie immer mein geliebter Hermann Hesse. Nein, da war etwas anderes was mein Inneres sich wünschte. Nietzsche, den “Großen Traurigen“ suchte ich. Hier nun dieses Gedicht das den Ort, den ich im Sommer fand, beschreibt.
Ich hatte dieses Gedicht noch nie vorher bewusst gelesen. Ich war berührt wie gut Nietzsche ausdrücken konnte, was ich genau so empfunden hatte: Seelenverwandschaft…..

 

**** *****

Hier saß ich, wartend, wartend, - doch auf
nichts,
Jenseits von Gut und Böse, bald des Lichts
Genießend, bald des Schattens, ganz nur
Spiel,
Ganz See, ganz Mittag, ganz Zeit ohne Ziel.
Da plötzlich, Freundin! Wurde Eins zu
Zwei-
-Und Zarathustra ging an mir vorbei…

Friedrich Nietzsche

 

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Karel Capek: “Das Jahr des Gärtners”

Es ist Zeit schöne Gartenbücher zu lesen… eines meiner liebsten „Gartenbücher“ ist „Das Jahr des Gärtners“ von Karel Capek. Wer es kennt wird nun lächeln. Es ist vergnüglichste Art so ein Gartenjahr darzustellen. Die würzige Ironie und der unvergleichliche Humor dieses Büchleins vermittelt eine heitere Gelassenheit und machen jeden Gärtner zu einem Mitglied einer eingeschworenen Gemeinschaft.
An meinem letzten Gartentag hatte ich vor daraus etwas zu lesen, doch die “Versucherle“ hatten Vorrang.

Nun möchte gerne ich eine Geschmacksprobe vom „Jahr des Gärtners“ geben.

Zuerst eine einfache Frage: Wie wird man zum Gärtner?
Nun ja, Capek meint dazu: „ …..eines Tages pflanzt man mit den eigenen Händen eine Blume ein; mir geschah es mit einer Hauswurz. Dabei dringt durch einen Riss in der Haut oder sonst wie etwas Erde in den Körper und verursacht eine Entzündung, eine Vergiftung. Mit einem Wort, den Menschen hat das Gartenfieber gepackt. Der Löwe hat Blut geleckt!………“.
Und wir sind Gärtner.

Nun also:
“Der Gärtner im Oktober”

Man sagt Oktober und denkt, die Natur trete nun ihren Winterschlaf an. Der Gärtner weiß besser Bescheid und wird euch verraten, dass der Oktober ein ebenso guter Monat ist wie der April. Der Oktober ist nämlich der erste Frühlingsmonat, der Monat des unterirdischen Keimens und Sprießens, des heimlichen Schwellens der werdenden Knospen; grabt doch ein wenig in der Erde, und ihr werdet pralle Triebe, zarte Keime und begehrliche Wurzeln vorfinden- da hilft nun mal nichts: der Frühling ist da; geh nur hinaus, du Gärtner, und pflanze! ( Sei aber vorsichtig, damit du beim Umgraben keine Narzissenzwiebel zerstörst.)
Unter all den andern Monaten ist der Oktober der Monat des Einpflanzens und des Umsetzens. Sehr zeitig im Frühjahr steht der Gärtner über sein Beet gebeugt, aus dem hier und dort eine Knospenspitze hervorragt, und er überlegt:“ An dieser Stelle ist es kahl und leer, ich sollte doch noch etwas hierher pflanzen“ Und wenige Monate später steht er vor demselben Beet, auf dem inzwischen zwei Meter hohe Stängel des Rittersporns, ein ganzer Dschungel von Kamille, ein Urwald von Glockenblumen wuchern, und er beschließt:“ das ist zuviel des Guten, ich muss die Pflanzen mehr auseinander setzen. “- Im Oktober steht er erneut vor dem Beet, aus dem hier und dort ein kahler Stängel oder ein vertrocknetes Blatt herausragt, und er sagt versonnen:“ An der Stelle ist es kahl und leer, ich sollte hier doch noch etwas einpflanzen, vielleicht so sechs Phloxe oder ein paar größere Astern.“ Er fasst den Vorsatz und führt ihn aus. Das Leben des Gärtners besteht aus Umgestalten und schöpferischem Wollen.
Innerlich befriedigt, doch vor sich hin brummend, gewahrt er im Oktober kahle Stellen in seinem Garten.“ Verflucht“, ruft er, “da ist bestimmt etwas verdorrt, ich setze auf die unbewachsene Stelle eine Goldrute, besser wäre eine Cimicifuga, die habe ich noch nicht, auch eine Astilbe würde hier passen; wiederum für den Herbst könnte ich das Pyrethrum uliginosum anpflanzen, allerdings sähe für das Frühjahr eine Gemswurz nicht schlecht aus, halt! Ich setze eine Monarda- entweder Sunset oder Cambridge Scarlet- ein; was denn eine Hemerocallis würde sich hier gut machen:“ Worauf der Gärtner tief in Gedanken versunken nach Hause wandelt; unterwegs fällt ihm noch ein, dass auch die Morina ein dankbares Gewächs sei, ganz abgesehen von der Coreopsis, ja sogar eine Betonica wäre nicht zu verachten. Daraufhin bestellt er eiligst in einer Gärtnerei die Goldrute, die Cimicifuga, die Astilbe, das Pyrethrum uligiosum, die Gemswurz, die Monarda, die Hemerocallis, die Morina, die Coreopsis, die Betonica und notiert noch die Anchusa und den Salbei dazu. Einige Tage später wird er ungehalten, weil das Bestellte noch nicht eintrifft; dann bringt der Postbote doch einen großen Korb, und der Gärtner stürzt mit dem Spaten in der Hand auf die kahle Stelle los. Schon beim ersten Spatenstich holt er einen ganzen Wurzelballen hervor, an dem bereits dicke Knospen sind.“ Großer Gott“, seufzt er, “hier hatte ich doch die Knollenblume eingesetzt!”

Dies ist nur eine kleine köstliche “Leseprobe” aus dem “Das Jahr des Gärtners” von Karel Capek.
...Ich sehe sie lächeln.

 

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Das Trunkene Lied

 

Als ich heute morgen ganz früh in den müden, herbstlichen Garten kam, fand ich dort ein beschriebenes Blatt von einer Folie geschützt. In der Nacht hat mir jemand ein Gedicht gebracht zusammen mit literarischen Auszügen aus Nietzsches Briefen an Peter Gast, die ich noch nicht kannte Ich war berührt und überrascht. Danke.
Dieses Gedicht, das zu mir in den Garten kam, liebe ich sehr. Ich habe es in den letzten Wochen schon oft gelesen.

 

Das Trunkene Lied

Oh, Mensch! Gib acht!
Was spricht die tiefe Mitternacht?
„Ich schlief, ich schlief-,
Aus tiefem Traum bin ich erwacht!
Die Welt ist tief,
Und tiefer als der Tag gedacht.
Tief ist ihr Weh-,
Lust- tiefer noch als Herzeleid!
Weh spricht: Vergeh!
Doch alle Lust will Ewigkeit-,
-will tiefe, tiefe Ewigkeit!

Friedrich Nietzsche

 

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Die Steinpalme

Vor etwa 4 Wochen ist mir etwas ganz außergewöhnliches passiert. Ich hatte in meinem Lieblingsstädtchen Eberbach einiges zu tun. Die Sonne schien, es war noch warm ,es war so als wollte sie sich nur ganz langsam von dem Sommer verabschieden. Nach meinen Besorgungen glitzerte der Neckar verführerisch in der langsam untergehenden Sonne, und etwas zog mich mit magischer Kraft ans Wasser. Ganz nahe saß ich am Wasser, sah die Lichtspiele, die leichten Wellen und manchmal, wenn ein Schiff vorbei kam, die dunklen anziehenden Strudel des Wassers. Vertieft in meine Gedankenwelt bemerke ich zuerst gar nicht, dass ein fremder Mensch neben mir stand.
Ich sage nichts, rückte ein klein Wenig weiter weg und schaute weiterhin dem faszinierenden Wasserspiel zu. Da sprach er mich an und sagte: „Soll ich mal die Geschichte von der Steinpalme erzählen?  Ich war empört, dachte mir: „Neiiiin ich möchte lieber allein sein,“ und antwortete: „Bitte, ich möchte doch lieber nichts hören“.
Das störte ihn aber nicht und er begann zu erzählen.
Die Sonne ging unter, langsam wurde es kalt und auf dem schwarzen fließenden Wasser begannen die Nachtlichter zu tanzen. Als die Geschichte zu Ende war stand ich auf, spürte die Wärme des kleinen Wüstenfeuers in mir und ging davon. Mir wurde dieses zauberhafte Märchen erzählt. Was ist fremd??
Und ich möchte dieses Geschenk weitergeben. Hier nun die Geschichte von der „Steinpalme“...

Es war Spätnachmittag, und es war ein Wind aufgekommen, der leise über die Haare streicht und auf dem Gesicht eine Ahnung von Kühle hinterläßt.
Es war die Zeit, die zum Erzählen verführt, ja, die Lust auf Märchen wurde so zwingend, daß alle den weisen Raman baten, doch eine seiner wundervollen Geschichten zu erzählen.
Der kluge, alte Mann lächelte. Er überlegte einen Augenblick und rief dann: "Wir treffen uns an der Steinpalme, wenn die Feuer angezündet werden!" "Steinpalme? Was bedeutet das?" riefen sie hinter dem Alten her.
"Sucht sie!" Er sagte dies schon im Fortgehen. "Sucht sie! Der Baum ist nicht zu verfehlen."
Noch ehe die Nacht plötzlich herabfiel, hatten sie den Baum gefunden.
Neben den vielen Palmen am Strand, die in ihrer schlanken Schönheit wie winkende Frauen zu sein schienen, stand diese eine etwas abseits, doch so, daß ihre starken, dunkelgrünen Blattfächer die neben ihr stehenden Bäume leicht berührten.
Es war eine eigenartig geformte Palme!
Sie wirkte gedrungen, mit einem mächtigem Stamm und starken Fächern, die in ihren Bewegungen sichtbare Mäßigung zeigten und nichts von der Heiterkeit hatten, die alle anderen Palmen so weiblich machte.
Das Merkwürdigste aber war die Krone der Palme! Der Baum neigte sich mit seinen Blattfächern zur Mitte hin.
"Seht nur genau hin", sagte der alte Erzähler, der sich in ihre Mitte gesetzt hatte, "achtet auf das nächste Wehen des Windes."
Und sie konnten es sehen!
Als der Wind die Fächer der Bäume etwas auseinanderwehte, da sahen sie es: Im Herzen der Palme, dort, wo sonst die neuen, hellgrünen Triebe aus der Mitte des Stammes nach oben drängten, lag ein mächtiger, rötlicher Stein, ein Stein, wie unzählige am Strand herumlagen.
Raman ließ keine Zeit zum Fragen. Mit einer weiten Armbewegung zeigte er, daß sich alle im Kreis setzen sollen. Ein Feuer wurde in der Mitte angezündet, und die Nacht kam schnell und fiel über alles wie ein schwarzes Tuch.
Der Schein des Feuers erreichte den Stamm der großen Palme und malte auf den Schuppen bizarre Zeichen. Wenn eine Flamme hell aufflackerte, konnte man die Krone des mächtigen Baumes ahnen.
"Ihr wollt wissen, wie der große Stein dort oben hinaufgekommen ist!" begann Raman seine Erzählung. "Nun, dies geschah vor vielen, vielen Jahren, als die mächtige Palme noch ein winziger Bäumling war. Hier waren damals noch keine Häuser, und es gab auch noch keinen Brunnen. Nur einige Palmen standen am Strand. Ihnen und dem kleinen Palmenbaum genügte das, was sie aus dem Sandboden an Nahrung und vom Himmel an Feuchtigkeit bekamen.
Die kleine Palme liebte das Meer und die Musik des Wassers. Sie liebte den leisen Wind an den Spätnachmittagen und die plötzlich hereinbrechende, oft kalte Nacht mit ihrer schattenlosen Dunkelheit. Und sie liebte den Mond in den klaren Nächten, dessen Licht harte Umrisse malt und auf dem Meer lange Streifen zieht, die eine Ahnung von Unendlichkeit geben.
Der kleine Baum wußte, daß wenige Meter hinter ihm die Wüste war. Aber er hatte keine Vorstellung von ihr, er wußte nicht, was wasserlos und leer bedeutete. Er war ein kräftiger, glücklicher Palmenschößling.
Bis zu dem Tag, an dem der Mann kam!
Er kam durch die Wüste. Er war tagelang umhergeirrt, hatte sein Hab und Gut verloren und war vor Durst und Hitze fast um den Verstand gekommen. Seine Hände brannten wund vom vergeblichen Graben nach Wasser, und alles an ihm war grenzenloser Schmerz. So stand er vor dem Wasser, vor dem endlosen, weiten, salzigen Wasser.
Der Mann warf seinen ausgedörrten Körper in das Wasser hinein, aber in seinem Mund mit den aufgerissenen Lippen und der dickpelzigen Zunge brannte der Durst, den das Salzwasser nicht stillen konnte. Da packte ihn ein rasender Zorn. "Ich habe Anspruch auf Wasser!" schrie er. "Ich will leben, weil ich einen Anspruch darauf habe!"
Er griff nach einem großen Stein. Sein Zorn gab ihm Kräfte, die sein ausgedörrter Körper kaum noch hergeben konnte, und er schrie über die Grenzenlosigkeit des Wassers, schrie gegen die Unauslöschbarkeit der Sonne, schrie gegen die Wüste und hinauf zu den unerreichbaren Kronen der Palmen. Drohend hatte er den Stein erhoben. Seine Arme zitterten, und es schien, als wolle alle Kraft ihn endgültig verlassen. Da sah er neben den großen Palmen, zwischen Geröll und Sand, den Palmenschößling stehen, in hellem Grün und voller Hoffnung auf jeden neuen Tag.
"Warum lebst du?" schrie der Mann. "Warum findest du Nahrung und Wasser, und ich verdurste hier? Warum bist du so jung und schön? Warum hast du alles und ich nichts? Du sollst nicht leben!"
Mit aller noch vorhandenen Kraft preßte er den Stein mitten in das Kronenherz des jungen Baumes. Es knirschte und brach. Es war, als vervielfachte sich das Knirschen und Brechen bis in die Unendlichkeit der Wüste und des Meeres. Und dann kam eine entsetzliche Stille!
Der Mann brach neben der kleinen Palme zusammen. Zwei Tage später fanden ihn Kameltreiber - man sagt, daß er gerettet wurde.
Von den Treibern hatte sich keiner um den kleinen, zerschmetterten Palmbaum gekümmert. Er war unter der Last des Steines fast begraben, sein Tod schien unausweichlich. Seine hellgrünen Fächerblätter waren abgebrochen, und in der heißen Glut der Sonne verdorrten sie schnell. Sein weiches Palmherz war gequetscht, und der große Stein lastete so schwer auf dem zierlichen Stamm, daß er bei jedem leisen Windhauch abzubrechen drohte.
Doch der Mann hatte die kleine Palme nicht töten können. Er konnte sie verletzen, aber nicht töten.
Als sich in dem jungen Baum das entsetzliche Geräusch der brechenden Zweige, das Zerfasern der jungen Triebe und der brennende Schmerz zusammenballten, als alles eine ungeheure, wolkenähnliche Masse von Schmerz und immer wieder Schmerz war, da regte sich gleichzeitig, daneben, ohne Verbindung zum Schmerz und allen zerstörenden Geräuschen, eine erste kleine Welle von Kraft. Und diese Welle vergrößerte sich, fiel in die Wellenbewegung des Schmerzes, wuchs, machte die Pausen zwischen Schmerz und Wieder-Schmerz länger und länger, bis die Kraft größer wurde als der Schmerz.
Der Baum versuchte, den Stein abzuschütteln. Er bat den Wind, ihm zu helfen. Aber es gab keine Hilfe. Der Stein blieb in der Krone, dem Herzen der kleinen Palme, und rührte sich nicht.
"Gib es auf", sagte sich die kleine Palme, "es ist zu schwer. Es ist dein Schicksal, so früh zu sterben. Füge dich! Laß dich selber los. Der Stein ist zu schwer."
Aber da war auch eine andere Stimme, die sagte: "Nein, nichts ist zu schwer. Du mußt es nur versuchen, du mußt es tun."
"Wie soll ich es tun?" fragte die Palme, "der Wind kann mir nicht helfen. Ich stehe allein in meiner Schwachheit. Ich kann den Stein nicht abwerfen."
"Du mußt ihn nicht abwerfen", sagte wieder die andere Stimme. "Du mußt die Last des Steines annehmen. Dann wirst du erleben, wie deine kräfte wachsen."
Und der junge Baum nahm in seiner Not seine Last an und verschwendete keine Kraft mehr an das Bemühen, den Stein abzuschütteln. Er nahm ihn in die Mitte seiner Krone. Er klammerte sich mit langen, kräftiger werdenden Wurzeln in den Boden, denn er brauchte mit seiner doppelten Last einen doppelten Halt.
Dann kam der Tag, an dem sich die Wurzeln der Palme so tief gesenkt hatten, daß sie auf eine Wasserquelle stießen. Befreit schoß eine Quelle noch oben, und sie hat diesen Platz hier zu einem Ort der der Freude und des Wohlstands gemacht.
Nun, als der Baum festen Halt im Grund hatte und dort dauernde Nahrung fand, begann er, nach oben zu wachsen. Er legte breite, kräftige Fächerzweige um den Stein herum. Man konnte manches Mal meinen, daß er den Stein beschützte.
Sein Stamm gewann mehr und mehr an Umfang, und mochten die anderen Palmen am Strand höher und lieblicher sein, der Palmbaum, den die Leute bald die Steinpalme nannten, war unbestritten der mächtigste Baum. Seine Last hatte ihn aufgefordert, und er hatte den Kampf gegen seinen Kleinmut aufgenommen. Er hat diesen Kampf gewonnen. Er hat eine Quelle freigelegt, die seitdem den Durst vieler gelöscht hat, und, was sicher das Wichtigste ist, der Baum hat seine Last angenommen und hoch hinausgetragen. Sie liegt auch heute noch auf seinem Herzen, aber sie ist in seinem Dasein an eine Stelle gerückt, die sie tragbar macht. Nur die äußere Last erscheint uns tragbar. Ist sie angenommen, wird sie ein Teil von uns selbst."
Raman, der Erzähler, legte beide Hände an den Stamm der großen Palme. Das Feuer war fast niedergebrannt. Die Zuhörer verließen einer nach dem anderen den Platz. Nur einer blieb noch. Er war spät gekommen und hatte ein wenig abseits gesessen.
Er setzte sich nun zu Raman, und beide saßen lange ohne Worte.
"Ich bin der Mann, der den Stein auf die Palme gedrückt hat", sagte der Mann. "Ich hatte es vergessen, doch deine Erzählung weckte alles wieder auf. Was soll ich tun? Ich fühle Schuld."
"Dann trage die Schuld wie der Baum den Stein", antwortete Raman. "Nimm die Schuld an. Versuche, soviel du vermagst, davon in Liebe zu verwandeln. Vergiß dabei nicht, daß Liebe etwas ist, was man tun muß. Es nützt nichts, sie nur zu erkennen und um ihre Notwendigkeit zu wissen. Liebe ist Leben und wächst allein aus dem Tun."
Die Männer saßen noch lange unter der Palme, und es war ein leichter Wind, der das Feuer wieder zum Brennen brachte.

Pet Partisch
aus “Wieviele Farben hat die Sehnsucht” lucy körner verlag

 

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Der wundersame Bergkristall

Am Anfang dieses Jahres erzählte mir eine Freundin ein Märchen das sie einmal gehört hatte. Damals fand ich die Geschichte sehr schön und hoffnungsfroh. Kurz bevor sie sich für eine lange Reise verabschiedete schenkte sie mir diese Geschichte. Als ich sie wieder las, war ich überrascht, da es nicht mehr das gleiche unbeschwerte Märchen war.

 

Der wundersame Bergkristall

Zu einer Zeit, die schon lange vergangen ist,  lebte einmal eine Frau.
Sie war schon viele Wege gegangen in ihrem Leben und immer führten sie diese Wege dahin wo Herz und Verstand sie hin führen wollten. Manchmal waren die Wege ganz leicht zu gehen, über weichen Boden, der die Schritte federleicht machte. Wenn ein Wegstück kam das steiniger und schwerer wurde, so ging die Frau leichten Herzens denn sie wusste immer, dass sie auf ihrem Weg war. Sie konnte ohne Furcht durch die schwarze Dunkelheit gehen, und sie fand immer wieder ihren Weg zur Sonne. Eines Tages war sie auch auf einem ihrer Wege, und sie gelangte an eine Stelle, wo sich der Weg gabelte. Sie konnte nicht weiter gehen denn beide Wege waren mit einem gläsernen Tor verschlossen. Sie sah durch das erste Tor, und erkannte sich selbst und ihr vergangenes Leben, die Menschen die sie begleitet hatten. Durch das zweite Tor sah sie in ihre Seele, in ihr Herz. Da wurde sie sehr traurig und stand da ohne zu wissen durch welches Tor sie nun gehen sollte.  Sie setzte sich vor die Tore und weinte. Wie sie nun so verloren in ihrer Traurigkeit war spürte sie einen wundersamen Stein in ihren kalten Händen. Es war ein Bergkristall der in allen Farben des Lichtes schimmerte. Der Stein sprach : „Du stehst vor den gläsernen Toren doch nur ein Tor wird sich dir öffnen. Du musst dich selbst erkennen. Komm mit mir.“ Da fiel sie in einen tiefen Traum.
Der verzauberte Bergkristall entführte sie in ein hohes gewaltiges Schneegebirge in die Halle des Bergkönigs. Magisch angezogen von seiner unwiderstehlichen Ausstrahlung, ging sie auf ihn zu und sah in  quellwasserblaue Augen, die ihren Blick gefangen nahmen. Da begrüßt er die Frau und ihren fliegenden Bergkristall und fragte: „ Warum seid ihr zu mir gekommen?“ Sie setzte sich zu ihm nieder und antwortete: „ Ich bin auf der Suche nach meinem Weg, den ich nicht mehr finden kann“. Der Bergkönig nahm den Bergkristall in seine Hände und betrachtete ihn nachdenklich. Die Minuten verrannen, in seinen Augen konnte man die uralte Weisheit der Welt lesen. Nach einer Ewigkeit beugte er sich zu der Frau herab, und sagte: „ Du musst in dein Herz sehen, dann wird dein richtiger Weg sichtbar. Steige auf diesen hohen heiligen Schneeberg,“ und er zeigte mit seiner Hand zu einem unwirklich hohen faszinierenden Berg... „da wirst Du deine Stimme hören.“
Danach fiel sie in einen traumlosen, erholsamen Schlaf. Der funkelnde Stein berührte die Frau ganz leicht bis sie erwachte. Sie begab sich auf ihren langen beschwerlichen Aufstieg. Der Bergkristall flog voraus....Sie stieg immer höher und höher, ihre Beine wurden schwer und es wurde immer kälter. Sie war so müde, dass sie weder Hunger noch Durst spürte. Trotzdem stieg sie immer weiter, ihr Lebensatem wurde immer dünner. Plötzlich stand sie auf dem Gipfel. Die Welt und die Menschen waren unerreichbar weit weg. Sie war ganz alleine. Da spürte sie wie ihr Herz weit wurde aus Ehrfurcht vor der Schönheit dieser Bergwelt.
Der Bergkristall strahlte plötzlich eine wundersame Wärme aus, und ein Sonnenlichtstrahl leitete ihren Weg zurück zu der Halle des Bergkönigs.
Er saß immer noch genau so da wie sie ihn verlassen hatte. Als er sie sah lächelte er und fragte: „ Nun, hast Du die Stimme deines Herzens hören können.?“ Da wurde die Frau nachdenklich und hörte die Stimme des Lebens in sich, doch sie konnte die Worte nicht sagen, ihre Lippen waren verschlossen.
Der wundersame Bergkönig berührte ihre Hände. Sie spürte wie warmer Sand von seinen Händen in ihre kalten Hände rieselte. Er sah ihr in die Augen und sagte: „Du hast einen hohen Berg bestiegen. Gehe nun , du wirst Dich in der endlosen Weite einer Wüste wiederfinden. Dort in der Großen Stille wirst du deine Stimme hören.“
Da senkte sich der Schlaf über die Frau.
Als eine zarte leise Melodie in ihre Ohren drang, erwachte sie. Der Bergkristall funkelte neben ihr. Um sie herum die Unendlichkeit warmbrauner Sanddünen. Die Sonne stand rotglühend am Himmel. Ihre Füße wanderten über den weichen heißen Wüstensand. Als es Abend wurde legte sie sich in eine schützende Sandmulde, denn die Nächte in der Wüste sind kalt. Ihre  Lippen sehnten sich nach Wasser. Sie fühlte sich einsam und allein. Da sah sie den Sternenhimmel, der sich über ihr wölbte, wie ein beschützendes Dach. Das Herz der Frau wurde ganz weit. Sie nahm die Schönheit und Stille des Augenblickes in sich auf. Jetzt  konnte sie ganz leise die deutliche Stimme ihrer Seele vernehmen. Der Bergkristall strahlte wieder diese Lebenswärme aus, und sie flogen zurück zur Halle des Bergkönigs.
Dieser saß immer noch genau so da wie sie ihn verlassen hatte. Es war so, als wären nur Augenblicke vergangen, und doch fühlte die Frau noch die große Wüste in sich. Die tiefen Augen des Bergkönigs strahlten als er sie fragte: „Na, hast Du nun dein Seelenherz erkannt? Sie wurde ganz still, denn ganz tief in ihr wusste sie die Antwort, aber sie konnte sie nicht in Worte fassen. Schließlich beugte sich der Bergkönig zu ihr herab und flüsterte: „Ich bringe dich in das Land Deiner Wurzeln. Dort findest du ein letztes Zeichen.“
Da wurde es der Frau leicht wie ein Federwölkchen ums Herz und sie schlief tief und fest wie ein kleines Kind.
Als sie die Augen öffnete spürte sie, dass sie auf weichem feuchten Moos lag. Ein sonnendurchflutetes, lindgrünes  Blätterdach überspannte die Erwachende. Bergkristall, wo bist Du? Suchend wanderte die Frau aus dem verwunschenen Wald, in dem sie geschlafen hatte und sah eine traumhaft schöne Landschaft vor sich liegen. Die Kornfelder waren goldgelb, und die Trauben auf den Rebhügeln waren schon tiefblau. Dazwischen standen uralte Olivenbäume. Die Sonne erfüllte die Landschaft mit ihrem Licht und ihrer Wärme, die Luft war weich und voller Kräuterdüften. Sie atmete diese Landschaft in sich ein, während sie auf eine alte majestätische Stadt zuwanderte.
Plötzlich stand sie in einer großen Kirche, in einem Dom. Das Abendlicht fiel durch ein farbiges Kuppelfenster, huschte über den Steinboden und streichelte die Wand. Ihre Blicke erkannten das Gemälde an der Wand, und nahmen diese vergangene und gegenwärtige Schönheit in sich auf. Sie fühlte Demut vor dieser über alle Zeiten erhabenen Kunst.
Sie kniete auf den kalten Steinboden und versank in sich selbst. Eine Wärmequelle erweckte sie aus ihrer Versunkenheit. Der Bergkristall lag neben ihr und strahlte seine einhüllende Wärme aus. Ihr Weg ging zurück zur Halle des Bergkönigs.
Der Bergkönig sah die Frau, die nun eine besondere Aura der Glücks um sich hatte und ging ihr entgegen. Er umarmte sie, denn er las in ihrer Seele, dass sie durch das Tor ihres Herzens gehen würde: „Gehe, du bist auf dem Weg deiner Seelenwünsche.“
Als sie aus ihrem Traum erwachte, war alle Traurigkeit verflogen und sie lief auf das Tor ihres Herzens, ihrer Seele zu. Die Frau wollte voller Freude das gläserne Tor öffnen, doch es war verschlossen. Hatte der Bergkristall ihr den falschen Weg gezeigt?
Hat sie sich in der uralten Weisheit des Bergkönigs getäuscht?
Warum öffnete sich das Tor nicht, nun das sie diesen Einen Weg gewählt hatte?
Sie konnte keine Antwort finden. Dennoch wusste sie, dass sie auf ihrem Weg war, denn ganz tief in sich spürte sie eine Kraftquelle die Leben heißt, die sie beschützte.
Da fiel ihr Blick noch einmal auf das gläserne Tor. Wie eine Erinnerung sah sie den Bergkristall in der tiefen Dunkelheit  hell aufleuchten um dann zu Staub zu zerfallen, für immer verloren.
Sie drehte sich um und die Welt erwartete sie.

 

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Nebelschleiermelancholie

Dieses Gedicht fängt die Nebelstimmung hautnah ein. Einsam im Nebel zu wandern birgt die Möglichkeit ganz in sich selber einzutauchen, abgeschottet von der äußeren Welt. Ich erlebe so einen Spaziergang auf ganz ambivalente Art. Zum einen hüllt mich der Nebel in  einen traurig melancholischen Schleier. Ich sterbe ein wenig mit jeder gefallenen Frucht, atme den Hauch des verwesenden Laubes. Andererseits bin ich auch gerne so alleine im Nebel, keiner sieht den andern. Ich bin erstaunt über die Schönheit der dunkeltürkisfarbenen Flechten an den Rinder alter Bäume, und ich knie mich in das feuchte Moos um die kristallklaren Wassertröpfchen darauf zu bewundern. Manchmal finde ich ein kunstvolles Spinnennetz das den feinen Nebel gefangen hat. Der Nebel streichelt mein Gesicht. Jeder Schritt tiefer in den Nebelwald ist ein Erlebnis ein Spaziergang mit den Sinnen, erlebtes Alleine sein.

 

Im Nebel

Seltsam im Nebel zu wandern!
Einsam ist jeder Busch und Stein,
Kein Baum sieht den andern, jeder ist allein.

Voll von Freunden war mir die Welt,
Als mein Leben noch licht war;
Nun, da der Nebel fällt,
Ist keiner mehr sichtbar.

Wahrlich, keiner ist weise,
Der nicht das Dunkel kennt,
Das unentrinnbar und leise
Von allem ihn trennt.

Seltsam, im Nebel zu wandern!
Leben ist Einsamsein.
Kein Mensch kennt den andern,
Jeder ist allein.

Hermann Hesse

 

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Frostiger Gartenrundgang

Heute morgen hat mich das erste Licht in den Garten gerufen. Der kalt Atem des Frostes hatte während der Nacht hatte einen weißen Schleier über die Erde und den dunkelgrünen Buchsbaum gelegt. Die letzten Stiefmütterchen in den Töpfen  und die zwei letzten müden Ringelblumen waren gebrochen von der Kälte. Meine schwarze Katze schnurrte in ewigem Abstand neben mir während ich den stillen Kältemorgen erspürte. Eine zaghafte Sonne erwachte und tauchte den Garten in ein besonderes Licht. Ich berührte die Erde im alten Bauerngarten doch sie war verschlossen. Abweisend, erstarrt und kahl. Doch „ ich lerne sehen.“ Und fand eine Stelle an der die Erde einige vorwitzige grüne Spitzen offenbarte. Krokusse. „Oh“ dachte ich „ hoffentlich kommt eine kleine Schneedecke um sie zu wärmen“ Das sind die Momente in denen ich mich ganz dem Betrachten hingebe. Das reine Sehen, das Hingegebensein macht mich zur Natur. Genau so merkwürdig und genau so stark, genau so zerbrechlich. Für Augenblicke spüre ich dann die Verschmelzung zum Ganzen. Einen Seelenlichtstrahl der mich immer wieder  lebendig macht. Ich gehe mit kalten Händen zurück ins Haus und weiß der Tag wird hell….

Ich lerne sehen. Ich weiß nicht, woran es liegt, es geht alles tiefer in mich ein und bleibt nicht an der Stelle stehen, wo es sonst immer zu Ende war. Ich habe ein Inneres, von dem ich nicht wusste. Alles geht jetzt dorthin. Ich weiß nicht was dort geschieht.

Rainer Maria Rilke

 

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Karel Capek: Das Jahr des Gärtners, “Der Gärtner im Januar”

Die Winterzeit ist doch so etwas wie eine lange Geduldsprobe für den Gärtner. Die Beschäftigung mit Erde und Pflanzen fehlt und man freut sich über jede Gelegenheit eine Gartenrundgang zu machen.
Einen winzigen Vorteil hat jedoch der Winter: Man hat mehr Zeit zum Lesen. Eines meiner liebsten Büchlein ist wie sie ja schon wissen Karel Capeks „ Das Jahr des Gärtners.“ Unwiderstehlich, weil es auch an trüben, regennassen Wintertagen ein Schmunzeln bei uns herauslocken kann.

Der Gärtner im Januar… eine „Kostprobe“

„Also: auch der Januar ist nicht der Monat zum Untätigsein, wie es – sicherlich nur zum Trost- die praktischen Ratgeber für Gartenfreunde behaupten……
Vor allem müsse man angeblich das Erdreich bearbeiten, da es durch den Einfluss des Frostes bröckle. Nun stürzt der Gärtner gleich zu Neujahr in den Garten hinaus, um den Boden zu beackern. Er geht mit dem Spaten ans Werk, nach geraumer Zeit gelingt es ihm mit Anstrengung, den Spaten an dem knochenharten Erdboden zu zerbrechen. Jetzt versucht er es mit der Hacke; zeigt er dabei Ausdauer, so schlägt er den Stiel entzwei. Er greift nach der Krampe, mit der es ihm wenigstens gelingt, eine Tulpenzwiebel zu zerhacken, die er im Herbst gesteckt hatte. Als letztes Mittel bleibt nur noch die Erde mit Stemmeisen und mit Hammer zu bearbeiten. Natürlich ist das langwierig und sehr verdrießlich. Vielleicht ließe sich der Boden mit Dynamit sprengen, doch normalerweise hat dies kein Gärtner. Schön, warten wir also auf das Tauwetter. Und siehe da, es ist plötzlich eingetreten, und wieder stürzt der Gärtner hinaus, um den Boden zu bearbeiten. Kurz darauf schleppt er die Erde, soweit sie an der Oberfläche aufgetaut ist , an seinen Schuhen nach Hause; dessen ungeachtet macht er ein freudenstrahlendes Gesicht und behauptet die
Erde erschließe sich bereits…..
Inzwischen bleibt nichts anderes übrig, als „einige Vorbereitungen für die kommende Saison zu treffen. Findest du im Keller ein trockenes Plätzchen, bereite Gartenerde für Blumentöpfe vor, mische Lauberde, Kompost verrotteten Kuhdünger und ein wenig Sand „Ausgezeichnet! Nur strotzt der Keller von Kohle und Koks; die Frauenzimmer machen sich überall breit mit ihrem albernen Brennmaterial. Im Schlafzimmer, da wäre ja genügend Platz für eine Menge Humus….
„Die Winterzeit benütze zum Ausbessern der Pergola, der Laube oder des Gartenhauses.“ …. „Im Januar kann man den Rasen anlegen “- wenn ich nur wüsste, wo?? Vielleicht im Vorzimmer oder auf dem Dachboden?..“ Man achte besonders auf die Temperatur im Gewächshaus:“ Das würde ich schon tun, nur habe ich keins….
Nun heißt es warten! Mein Gott im Himmel, dauert dieser Januar aber lange! Wenn nur schon der Februar käme!…

Ist es nicht köstlich, diesen feinen Humor,  gewürzt mit einem gewaltigen Schuss Ironie zu lesen?? Und schon ist ein Lichtstrahl des Lächelns auf unserem Gesicht.

 

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Versuch es!

Der Sturm heult und der Regen peitscht an mein Fenster. Die kleine Lampe brennt und  leuchtet auf die beschriebenen Zeilen eines Briefes. Ein vielgelesener Brief, der mit jedem Wort eine verborgene Stelle der Seele berührt, und mir doch nie mehr eine Antwort gibt.
Ich höre dem Sturm zu, verstehe die kraftvolle Leidenschaft die in ihm ist. Da fällt mir dieses Gedicht wieder ein, das vor langer Zeit in mein Poesiealbum geschrieben wurde.

 

Versuch es!

Stell dich mitten in den Regen,
glaub an seinen Tropfensegen-
spür dich in das Rauschen ein
und versuche, gut zu sein!

Stell dich mitten in den Wind,
glaub an ihn und sei ein Kind-
lass den Sturm in dich hinein
und versuche, gut zu sein!

Stell dich mitten in das Feuer,
liebe dieses Ungeheuer
in des Herzens rotem Wein-
und versuche, gut zu sein!

Wolfgang Borchert

 

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Manchmal... Hermann Hesse - “Musik des Einsamen”

In meinen Händen halte ich ein kleines Büchlein. Es ist ein ganz besonderes seltenes, fast 100 Jahre alt… Mit dunkelblauem Leineneinband und einer wunderschönen ovalen Goldprägung auf der Vorderseite. Auch der schmale Buchrücken des Büchleins trägt diese feinen Goldschriftzüge. Ich halte es zärtlich in meiner Hand  und spüre die „Musik des Einsamen“.

 

Manchmal

Manchmal wenn ein Vogel ruft
Oder ein Wind geht in den Zweigen
Oder ein Hund bellt im fernsten Gehöft,
Dann muss ich lange lauschen und schweigen.

Meine Seele flieht zurück
Bis wo vor tausend vergessenen Jahren
Der Vogel und der wehende Wind
Mir ähnlich und meine Brüder waren.

Meine Seele wird ein Baum
Und ein Tier und ein Wolkenweben
Verwandelt und fremd kehrt sie zurück
Und fragt mich…Wie soll ich Antwort geben?

H. Hesse aus „Musik des Einsamen“

 

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Nicht sich trösten zu wollen.. R. M. Rilke

Als ich ein kleines Geschenk als Mitbringsel für einen Freund suchte fiel mir ein kleines Büchlein in die Hand das ich in diesem Format schon von H. Hesse kannte.
Mit Rilke durch das Jahr, genau so wie Hesses Jahresbüchlein erschienen im Insel Verlag.
Es ist bezaubern mit Bildern von Paul Cezanne illustriert.
Nun, natürlich hab ich’s gleich durchgeblättert.. und gelesen. Vieles sprach zu mir wie eine zarte Weise die meine Seele berührt.
Doch diesen Brief an Margot Sizzo  kannte ich nicht.
Ich las und , der Brief sprach aus was ich erfahren habe.

 

….-Selbst die Zeit tröstet ja nicht, wie man oberflächlich sagt, sie räumt höchstens ein, sie ordnet-, und nur weil wir die Ordnung, zu der sie so still mitwirkt, später so wenig genau nehmen, ja sie so wenig betrachten, dass wir das Eingestellte und Besänftigte, im großen Ganzen Versöhnte, anstatt es dort zu bewundern, nur weil es uns nicht mehr so wehe tut, für eine unserige Vergesslichkeit und Schwäche des Herzens halten. Ach, wie wenig VERGISST es , das Herz, - und wie stark wäre es, wenn wir ihm nicht seine Aufgaben entzögen, ehe sie völlig und eigentlich geleistet sind !-

Nicht sich trösten wollen über einen Verlust müsste unser Instinkt sein, vielmehr müsste es unsere tiefe schmerzhafte Neugierde werden, ihn ganz zu erforschen,

die Besonderheit, die Einzigartigkeit gerade DIESES Verlustes, seine Wirkung innerhalb unseres Lebens zu erfahren, ja wir müssten die edle Habgier aufbringen, gerade um IHN, um seine Bedeutung und Schwere, unsere innere Welt zu bereichern…. Ein solcher Verlust ist, je tiefer er uns trifft und je heftiger er uns angeht, desto mehr, eine AUGABE, das nun im Verlorensein hoffnungslos Betonte, neu, anders und endgültig in Besitz zu nehmen: DIES ist dann unendliche Leistung, die alles Negative, das dem Schmerz anhaftet, alle Trägheit und Nachgiebigkeit die immer einen Teil des Schmerzes ausmacht, auf der Stelle überwindet, dies ist tätiger, innen-wirkender Schmerz, der einzige, der Sinn hat und unserer würdig ist…..

…, aber SO tief steckt der Tod im Wesen der Liebe, dass er ihr nirgends widerspricht WO, schließlich kann er Eins , das wir unsäglich im Herzen getragen haben, anders hin verdrängen, als  IN eben dieses Herz, wo wäre die „Idee“ dieses geliebten Wesens, ja seine unaufhörliche Wirkung… WO wäre diese immer schon geheime Wirkung gesicherter als IN uns?! Wo können wir ihr näher kommen, wo sie reiner feiern, wann ihr besser gehorchen, als wenn sie mit unseren eigenen Stimmen verbunden auftritt, als ob unser Herz eine neue Sprache gelernt hätte, ein neues Lied, eine neue Kraft...!

 

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Das ist die Sehnsucht: Wohnen im Gewoge... Rilke

Es ist tiefe Nacht. Ein kalter Hauch streift mein Gesicht und ich erwache aus einem immer wiederkehrenden Traum. Der Wind heult und tobt, die Luft schmeckt nach Schnee. Das Fenster steht einen Spalt offen, gehalten von einem dicken schweren Buch. Hatte ich es vergessen zu schließen?
Oder sollte ich endlich aus diesem Traum erwachen? Ich rücke den Stuhl heran und hülle mich in eine Decke. Ein bleicher Mond steht am Himmel und meine Augen tauchen ein in die dicken, wirbeligen Schneeflocken die dicht und unaufhörlich zur Erde fallen.
Wie sehr hatte ich mich schon auf die wartende Erde gefreut, auf die erwachende Natur. Und nun ist doch noch einmal der Winter  zurück gekommen und legt sein starres, weißes Tuch über die nächtliche Gartenlandschaft.
Ich fühle mich ganz klein und hilflos, ein eisiger Ring der Kälte legt sich um mich. Ich sehne mich nach Leben, nach Erde und warmer Luft, jenseits der gläsernen Zaubermauer. Ein  Lieblingsgedicht kommt mir in den Sinn und ich lausche dieser Melodie.

Das ist die Sehnsucht: wohnen im Gewoge
Und keine Heimat haben in der Zeit.
Und das sich Wünsche: leise Dialoge
Täglicher Stunden mit der Ewigkeit.

Und das ist Leben. Bis aus einem Gestern
Die einsamste von allen Stunden steigt,
die , anders lächelnd als die andern Schwestern,
dem Ewigen entgegenschweigt.

Rainer Maria Rilke

Die unwirkliche Dunkelheit der Traumerinnerung dieser Nacht weicht dem silbernen Licht des Morgens. Wie schon im letzten Jahr birgt dieser Monat für mich die größten Anforderungen an meine Lebenskraft und Geduld, eine lange Zeit ohne die Zauberquelle Erde ist vergangen und die Sehnsucht nach dem Weg in die Freiheit, Licht und  Wärme werden jeden Tag mächtiger. Die innere Stimme flüstert mir die Möglichkeit eines Weges zu…..Der Sonne entgegen….

 

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Kein Weg- nur Gehen… Ein Waldspaziergang

Der allerletzte Schneerest erinnert noch an die kalte Zeit ohne Erde. Nachdem ich nun den halben Tag im Haus verbracht habe, entschließe ich mich dazu einen langen Waldspaziergang zu unternehmen. Ich laufe los, zuerst über die große Wiese meiner Kindheit die am Waldrand liegt. Diese Wiese ist immer wieder ein Tor zur Vergangenheit und Erinnerung. Wie ich als kleines Mädchen dicke Blumensträuße gepflückt habe, ganz behutsam und nur am Rande dieser Wiese um die Gräser nicht niederzutreten. Dann , viel viel später, eine intensive Zeit in der ich an dem kleinen Abhang der Wiese saß und  über das vor mir liegende Dorf  und zu dem bewaldeten Berg sah und über meinen zukünftigen Lebensweg nachdachte. Eine Spielwiese, eine Aussichtswiese, ein Meditationsrot, ein besonderer Platz.
Auch heute halte ich hinten am Waldrand inne, setze mich auf den kleinen Baumstamm und wende mein Gesicht zur Sonne. Die Gedanken stehen still und ich bin ganz eines mit der Welt. Dann laufe ich weiter, sehe mit Freuden die dicken Knospen der Bäume und die winzigen grünen Blättchen des Waldklees zwischen dem braunen Laub. Dann betrete ich eine kleine Lichtung, die mir sehr viel bedeutet.
Zwei Wege kreuzen sich… in der Mitte des Wegkreuzes steht eine Buche unter der eine alte verwitterte Holzbank steht. Am Rand des ersten Weges kann man auf einer kleinen Tafel die in eine Stein eingelassen ist eine Inschrift lesen. Auch hier saß ich oft besonders gern im Sommer, die anrührende Inschrift vor mir und das lichtdurchflutete Blätterdach der alten Buche über mit. Ich hörte ihr zu, wenn sie mir die Geschichte des Waldes erzählte und sie gab mir oft Antwort auf meine stillen Fragen. Meine Hände streicheln  über die Rinde des Stammes. Ein paar Schritte weiter halte ich kurz vor der abgebrochenen Kiefer inne. Splittrig geknickt steht ihr Baumstumpf vor mir, die tiefen Höhlen die einst der Specht geschaffen hat machen ihn zu einem wundersamen Kunstwerk der an die Vergänglichkeit mahnt.
Dann suche ich meinen Weg immer tiefer im Wald , vergesse die Zeit und atme die weiche Luft dieses Tages. Von einer geheimnisvollen Kraft angezogen finde ich den Pfad, der mich bergab führt in ein Tal.
Ich spüre in mir die ungebrochene Magie die dieser Pfad über mich hat, ich beginne zu laufen. Plötzlich bin an der tiefsten Stelle des Pfades angekommen, ich erkenne alle Bäume jeden Stein, jeder Schritt ist Erinnerung. Aber ich verlasse den vorgezeichneten Pfad und suche mir meinen eigenen Weg durch den Wald. Manchmal finde ich ihn ganz leicht und manchmal ist der Weg düster und dunkel und große bizarre Sandsteingestalten fordern meine Geschicklichkeit beim Durchklettern. Ich finde meinen Weg beim Gehen und achte auf meine Schritte um nicht zu stürzen. Ein fast freischwebender Stein, verlockt mich zum Innehalten, und Ruhe kommt über mich um den Stimmen der Natur zu lauschen.

Vor lauter Lauschen
Und Staunen sei still,
Du mein tieftiefes Leben,
dass du weißt,
Was der Wind dir will,
Eh noch die Birken beben.

Und wenn dir einmal
Das Schweigen sprach,
lass deine Sinne besiegen.
Jedem Hauche gib dich,
gib nach,
Er wird dich lieben
Und wiegen.

Und dann meine Seele
Sei weit, sei weit,
dass dir das Leben gelinge,
Breite dich wie ein
Feierkleid
Über die sinnenden Dinge.

R.M. Rilke

Dann beim Weitergehen fühle ich eine ganz leise Woge der Freude über diesen Waldspaziergang in mir aufsteigen, bei dem ich einen neuen Weg gefunden habe und ich bewege mich immer schneller bis ich wieder auf meiner Zauberwiese stehe wo mir die untergehende Sonne ihr leuchtend dunkelrotes Zeichen zusendet.

 

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Der Gärtner im März

….Der Gärtner im März… ein vergnüglicher Auszug aus Carel Capeks „Das Jahr des Gärtners“

… Ein Mensch der zum Gärtner geworden ist, sucht mit Vorliebe bejahrte Leute auf, die Augenzeugen einer früheren Zeit. Zumeist sind es vergessliche Menschen, die jedes Jahr erklären, sich an ein solches Frühjahr nicht erinnern zu können. Ist es kühl, so behaupten sie, ein solch kaltes Frühjahr noch nie erlebt zu haben: „Ich erinnere mich, es ist an die sechzig Jahre her, da war so ein mildes Wetter, dass zu Lichtmeß die Veilchen blühten.“ Ist es dagegen warm, erklären sie, sich an so milden Frühling nicht erinnern zu können: „Ich weiß, es ist an die sechzig Jahre her, da konnten wir am Josefstag ( 19. März ) noch rodeln.“ Was ist der langen Rede kurzer Sinn? Aus den Gesprächen mit den alten Augenzeugen wird, was das Wetter anbelangt, uns klar, dass in unseren Breitengraden eine entfesselte Willkür herrscht, gegen die man einfach machtlos ist…..
Wenn eine Uhr nicht geht, zerlegst du sie und trägst sie nachher zum Uhrmacher; wenn jemandem unterwegs das Auto stecken bleibt, fingert er am Motor herum und holt hinterher einen Autoschlosser. In allem, was es auf der Welt gibt, weiß man sich Rat, alles kann man ordnen und erklären, nur gegen schlechtes Wetter lässt sich nichts machen. Da hilft kein Übereifer und kein Größenwahn, keine Sucht nach Neuerung, kein Vorwitz und kein Lästern, die Knospe erblüht, und der Keimling sprießt, wenn sich ihre frist und ihr Gesetz erfüllen. Und da wirst du deiner Machtlosigkeit bewusst und lernst begreifen, das Geduld die Mutter der Weisheit ist.
Übrigens lässt sich nichts anderes tun.

 

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Wiedergeburt

Der Frühling ist da, mit all seiner Macht. Was lange geschlafen hat, verborgen im Schoße der Erde ist nun neu, und erblüht schöner als je zuvor. Für mich hat dieses Frühjahr etwas ganz einzigartiges, etwas Besonderes. Es bedeutet eine Wiedergeburt, eine erneutes Annehmen dessen was das Leben für mich bereit hält, ob Glück oder Trauer. So lange hat der Winter gedauert, so schmerzhaft vermisst hatte ich die Wärme und die Sonne. Nun ist alles gut. Die Dunkelheit der Vergangenheit ist wie eine leise Melodie in mir die niemals verklingt, die nun aber zu mir gehört für alle Zeiten.
Heute habe ich meinen Buschwindröschenstrauß in den Händen, eine köstliche Erinnerung an meine Kindheit in dieser  begnadeten Landschaft um den Katzenbuckel. Zuerst die hoffnungsfrohen „Kuckucksblumen“ wie wir sie als Kinder nannten… dann der goldgelbe Löwenzahn das lustige, gescheite Ebenbild der Sonne, das die Wiesen leuchten lässt. Ja, ich habe immer schon gelächelt über den Löwenzahn… so eine wundervolle Blüte.. aber man muss sie so genießen wie sie ist. Man kann sie nicht in eine Vase stecken, man kann sie nicht festhalten, nicht von ihr Besitz nehmen. Und dann erst die Fallschirmchen der Samen… oh, den Löwenzahn liebe ich sehr und wer würde nicht zuerst gerade diese Blume vermissen, mit ihrer lustigen Schönheit, die uns schon immer durch den Frühling begleitet hat?
Während ich nun diese Gedanken niederschreibe kommt mir dieses Gedicht Herman Hesses in den Sinn, das er als Einleitung seines zauberhaften: „Kindheit des Zauberers“ geschrieben hat, und das ich sehr mag.

Wieder steig ich und wieder
In deinen Brunnen, holde Sage von einst,
Höre fern deine goldenen Lieder,
Wie du lachst, wie du träumst, wie du leise weinst.
Mahnend aus deiner Tiefe
Flüstert das Zauberwort;
Mir ist, ich sei trunken und schliefe
Und du riefest mich fort und fort…

Aus „Kindheit des Zauberers“ von H. Hesse

 

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Reisesehnsucht, Stundenzeiger des Lebens

Bald spüren wir wieder eine leise Reisesehnsucht in uns wach werden. Ich freue mich schon sehr auf eine kleine Reise die mich nun zum zweiten Mal in eine andere Welt führt, die Wahlheimat Nietzsches und die Sommerfrische vieler Künstler und Literaten vieler Musiker und einfühlsamen Menschenführer. Alle die diesen Ort in ihrer Seele und in ihrem Herzen erkannt haben sind auf immer mit ihm verbunden.
Kennen sie das auch?? Man ist plötzlich ganz verwachsen mit der Welt, eins mit sich selbst und dem Leben. Man spürt seine Wurzeln. Es ist ein unbeschreibliches Gefühl, das sowohl Glück wie auch Trauer in sich birgt. Eine magische innere Ruhe, eine Versöhnung mit dem Leben um es zu bestehen.
Nietzsche hat an diesem Ort viele seiner Werke, seiner schönsten Gedichte geschrieben, die die ihm verwandte Seelen zum schwingen bringen.
Der Stundenzeiger des Lebens, Worte die uns helfen unser Leben intensiver zu leben.

Vom Stundenzeiger des Lebens

Das Leben besteht aus seltenen einzelnen Momenten von höchster Bedeutsamkeit und unzählig vielen Intervallen, in denen uns bestenfalls, die Schattenbilder jener Momente umschweben. Die Liebe, der Frühling, jede schöne Melodie, das Gebirge, der Mond, das Meer- alles redet nur einmal ganz zum Herzen:
Wenn es überhaupt je ganz zu Worte kommt. Denn viele Menschen haben jene Momente gar nicht und sind selber Intervalle und Pausen in der Symphonie des wirklichen Lebens.

Friedrich Nietzsche

 

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Reiseerinnerung und Verwandlung

Jenen besonderen Ort habe ich im letzten Jahr das erste Mal besucht.. und nirgendwo auf der Welt fand ich mich meinen Wurzeln so nahe wie dort. Eine innere Ruhe stellte sich ein und alles was mir so schwer war in meinem Leben damals konnte mich nicht mehr erreichen. Nun, in diesem Jahr war ich ja nicht mehr die Gleiche wie im Vergangenen. Ein schmerzvoller Prozess hatte mich reicher gemacht, stärker und lebendiger. Und so fuhr ich, verwandelt, auch in diesem Juni  hinauf in dieses Dorf, wieder daheim, vertraut mit der Landschaft, nie wirklich weg gewesen. Ich atmete die Champagnerluft, sah in den Himmel der mal tiefblau und mal mit weißen lustigen Wolken über mir war, lief zum magischen See, und erneut war es das Gedicht Nietzsches…“ Hier saß ich wartend, wartend doch auf nichts…..“ das mir, erneuert, genau aus der Seele sprach. Am nächsten Tag wanderte ich zu einem Bergrücken der mir einen herrlichen Ausblick gab: Mit einem Auge die zwei Seen… blaue Schönheit.. und mit dem zweiten Auge ein weites ansteigendes Tal mit einem klaren Gebirgsbach in seiner Mitte. Stehen und schauen…. Alleine sein mit sich selbst. Da kommen mir ein paar Zeilen von Rilke in den Sinn..

 

Einsamkeit, große innere Einsamkeit.
In - sich –Gehen und stundenlang
Niemanden begegnen,
das muss man erreichen können…
Denken Sie an die Welt, die Sie in sich tragen,
seien Sie aufmerksam gegen das,
was in Ihnen aufsteht, und stellen Sie es über alles,
was Sie um sich bemerken.
Ihr innerstes Geschehen ist Ihrer ganzen Liebe wert,
an ihm müssen Sie irgendwie arbeiten
und nicht zu viel Zeit und Mut damit verlieren,
Ihre Stellung zu den Menschen aufzuklären.
Wer sagt Ihnen denn, dass Sie überhaupt eine haben?

Rainer Maria Rilke

Nachdenklich über Rilkes laufe ich zurück ins Dorf.
Die nächsten Tage sind voller Freude, vorbestimmter glücklicher Begegnung und Gesprächen. Tage in denen meine Seele zum Schwingen kam und sich wie eine Welle des Sees ausbreitete. Tage der Versöhnung mit mir selbst. Dieser Ort scheint der Spiegel meines inneren Wesens zu sein, meiner Träume und meiner Wünsche, der schützenden Aura. Für immer.

 

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Winterfest…Hesse: Narziß und Goldmund

Dieses Wort erinnert mich an meine kleine Reise im Frühsommer. Immer wenn ich da einen Rosmarin oder eine kleine Palme vor einem schmucken Häuschen entdeckte auf den unendlichen Spaziergängen erzählte ich sogleich: Diese Pflanze ist nicht winterfest.. mein Begleiter musste dann immer lächeln über die Art „wie ich alles einordne“.. .. Dieses Wort meinte er, sagt uns: nicht „winterfest“ sein bedeutet einen „Schutz“ zu benötigen.. für die kalte Jahreszeit, für den Winter des Lebens. Nun denke ich auch mit einem Lächeln an seine Weisheit: Der Sommer gibt uns die Chance unser Gesicht der Sonne, der Liebe, dem Leben zuzuwenden.. um im Winter dann „winterfest zu sein..“ Ein fröhliches Bild… Ja, winterfest..

„Es ist nicht unsere Aufgabe, einander näherzukommen, so wenig wie Sonne und Mond zueinanderkommen oder Meer und Land. Unser Ziel ist, einander zu erkennen und einer im anderen das zu sehen und ehren zu lernen, was er ist: des andern Gegenstück und Ergänzung.“

„Es gibt Frieden, gewiss, aber nicht einen, der dauernd in uns wohnt und uns nicht mehr verlässt. Es gibt nur einen Frieden, der immer und immer wieder mit unablässigen Kämpfen erstritten wird und von Tag zu Tag neu erstritten werden muss.“

„An jedem Menschen die Merkmale finden, die ihn von den andern unterscheiden, heißt, ihn erkennen.“

Mit diesen 3 Zitaten aus Hermann Hesses „Narziß und Goldmund“ sende ich ganz liebe Grüße an den Rhein…

 

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Gartenrundgang mit Bernhard Theis

Wie kann man einen Gartenrundgang noch schöner beschreiben?? Wohl überhaupt nicht. Bernhard Theis ein besonderer, ein einfühlsamer Dichter, mit eindringlicher sinnlicher Sprache, hat mir diesen „Gartenspaziergang“ zugesendet, ein Kompliment für den Garten und eine Riesenfreude für mich. Auf diesem Weg möchte ich mich nochmals ganz herzlich dafür bedanken. Nun sind sie eingeladen Bernhard Theis auf seinem Gartenrundgang zu begleiten.

Garten für Elise im September 2004

Du
gehst am Anfang des Dorfes - fast nur im Grünen - in einer schmalen Straße an einer weit über mannshoch gewachsenen Buchenhecke vorbei. (Wenn Du von der Höhe kommend von der Hauptstraße nach rechts abgezweigt bist.) Du betrittst den Garten, in dessen Mitte (geographisch nicht ganz exakt) ein anheimelndes spitzgiebliges Haus versteckt ist. Bereits da spürst du, dass eine liebevolle Hand auf unterschiedliche Weise Natur gestaltet, auf deren und eigene Bedürfnisse geachtet hat, du spürst Harmonie. Ohne dass du es bemerkt hast, bist du mit dem Betreten dieses Ortes ruhiger geworden, hast etwas hinter dir gelassen, fühlst dich beschützt.

Den leicht abschüssigen Pfad hinabgehend gewahrst du links von dir das Haus mit seinem bis unter das Dach reichenden, Offenheit verkündenden Wintergarten und du weißt noch nicht, dass sich noch weiter links der "Blaue Garten" verbirgt. Blickst du nach rechts, nachdem du an Bäumen und Sträuchern vorbeigegangen bist, fällt dein Blick auf einen blumigen Gemüsegarten - ein rundes Buchsbaumversteck fast in seinem Zentrum - umzäunt von einem grauholzigen Zaun, einem echten Bauerngartenzaun:
Der eigentliche Garten von Elise, Großmutter Margits, der Hüterin des Heute, das so sein kann, weil die Oma sie seinerzeit in Liebe gewähren ließ und Liebe weckte. Das Herbariumalbum im Gartenhaus mit den getrockneten Kräuterbüschen spricht da auch seine eigene Sprache.
Zuvor bist du im kraftspendenden "Japanischen Garten" über den Steg des Teiches gelaufen, im "Urgarten", an der Pergola mit den nun blatt- und blütenlosen kräftigen Rosenranken vorbeigekommen, die zusätzlich auf einem starken abgesägten Ast eines Zwetschgenbaumes ruhen. Dessen amputierter Stamm, noch fest verwurzelt, wird leider keine Früchte mehr tragen.
Du gehst auf der Schattenseite an der Längsseite des Hauses weiter, vorbei an einer bewusst gesetzten Giftpflanze, unter einem Apfelbaum durch, auf die sportliche Ecke mit der Tischtennisplatte zu, biegst ab und siehst vor der Buchenhecke eine bequeme Krüppelholzbank mit einer halbrunden mit dicken "Speichen" versehenen Rückenlehne. Links davon führt eine steile leiterartige Treppe auf ein um den Baum gebautes Baumhaus. Von da aus bewunderst du den barocken Buchsbaumgarten an der Südseite des Grundstücks. Du steigst wieder ab, brauchst beim Durchschreiten dieses Gartenteils keine weißgepuderte Perücke, keine goldbetresste lange Jacke mit Rüschenhemd und Kniebundhose, um dich erhaben zu fühlen. Du versäumst es nicht, in den strauchumschlossenen blaublühenden Garten einzutreten. Rundgang beendet.
Doch noch jetzt, eine Woche danach sind in mir Farben und Gerüche, vor allem der Duft einer Pflanze, weil ich nicht vergessen habe, an der voll aufgeblühten rosaweißen Rose außen am Buchsbaumrondell zu schnuppern. Aber auch Margits Worte im Einklang mit dem Gesehenen

Bernhard Theis

Das zweite Geschenk  von Bernhard Theis ist eine literarische Kostbarkeit für all diejenigen die eine Tür für einfühlsame, lebendige Lyrik offen haben. Mit seinem Gedichtband „Lichte Momente und andere“ (erschienen bei Frieling, Berlin) taucht man ein in das Leben schlechthin, in das Leben mit all seinen spannenden Spielerein, seinen tiefen Gefühlen und bunten Facetten. Man spürt die Übereinstimmung mit dem Dichter der aus dem Herzen schreibt. Man erkennt sich und die Situationen und ist geborgen in der Einsicht: Das ist das Leben, dein Weg den nur du so beschreiten kannst. Für mich ist dieser Gedichtsband zu einem meiner Allerliebsten geworden. Danke dafür.

 

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Sonnenuntergangsfreuden... Rilke

Den ganzen Tag prasselten die Regentropfen auf mein Dachfenster. Ich schrieb den Nachmittag an den Texten und vertiefte mich in ein spannendes Buch.. Ein goldener Lichtschein fiel auf die Buchseiten….und ein Blick nach draußen konnte den Anblick der untergehenden Sonne erfassen. Es hatte aufgehört zu regnen. Ein wenig müde, fast zärtlich tauchte sie die herbstfeuchte Landschaft in ihr goldenes Licht. Die kleinen Federwolken entzückend zartrot und die Wiesen und dunklen Felder lockten mit unwiderstehlicher Anziehungskraft. Ich lief, setzte mich in mein kleines braves Autochen und fuhr hoch zu meinem guten alten Katzenbuckel. Hier oben kann man ein eindrucksvolles Sonnenuntergangsschauspiel erleben. Außer Atem erreiche ich die Nordseite des Berges und setzte mich voller Freude vor die imposante Landschaftskulisse. Die süße leichte Wärme der letzten goldenen Strahlen streicheln mich und verwandeln die Welt in ein Zauberland, und meine Gedanken gehen auf die Reise. Mit dem Blick auf die versinkende Sonne erlebt man sich als Teil der sich immerfort drehenden Erde.
Langsam wurde es Dunkel. Ich fühlte den frischen Wind auf meinem Gesicht und begab mich leichten Schrittes auf den Rückweg.
Am Abend suchte ich nach Worten für die „Freude“ und fand sie bei Rilke, den ich sehr mag.

„Die Realität jeder Freude ist unbeschreiblich in der Welt, nur in der Freude geht noch die Schöpfung vor sich (das Glück dagegen ist nur eine versprechliche und deutsame Konstellation schon vorhandener Dinge), die Freude aber ist eine wunderbare Vermehrung des schon Bestehenden, ein purer Zuwachs aus dem Nichts heraus.

Wie schwach muss im Grunde doch das Glück uns beschäftigen, da es uns sofort Zeit lässt, an seine Dauer zu denken und darum besorgt zu sein: Die Freude ist ein Moment, unverpflichtet, von vornherein zeitlos, nicht zu halten, aber auch nicht eigentlich wieder zu verlieren, indem unter ihrer Erschütterung unser Wesen sich gewissermaßen chemisch verändert, nicht nur, wie es im Glück der Fall sein mag, in einer neuen Mischung sich selber kostet und genießt“.

Rainer Maria Rilke

 

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Wintermorgen im Gartenhäuschen.

Die Morgen sind schon recht frostig: Als ich in den Garten komme staune ich über die Eiskristalle an den verblühten Stauden und Gräsern. Heute habe ich mich ganz warm angezogen, eine Teekanne mit duftendem Zimttee gefüllt und mich ins Gartenhäuschen zurückgezogen. Die Fensterscheiben sind mit den bizarren Eiskristallen verziert und mein Atem schmilzt eine kleine runde Stelle in die Kristallwelt.
Ich sitze am Tisch und bin eingehüllt von den Düften und Farben des Sommers und des Herbstes. Neben mir stehen die Körbchen mit den Blütenständen des gelben Mohnes. In den Holzsteigen liegen noch einige Möhren, Meerrettichwurzeln, die letzten Zwiebeln und Kartoffeln die beim Umgraben gefunden wurden und die kleinen Sellerieknollen. Den Kisten entströmt ein köstlich würziger erdiger Hauch. Zwischen den Deckenbalken hängt ein dünnes Brett und darauf liegen die nach Juni duftenden Heusäcke. Die Samentütchen in den Kistchen erinnern an die Saatzeit und die Gartengeräte scheinen sich in einen friedvollen Winterschlaf begeben zu haben. Von draußen dringt das aufgeregte Gezeter der Krähen herein. Warm verpackt in eine dicke Decke trinke ich genüsslich den heißen Tee und genieße mit allen Sinnen diese Stunde, atme die Düfte der Jahreszeiten.  Die Sonne blinzelt belustigt durch das Guckloch des Fensters und ich bin zufrieden mit der Welt. Einfach nur Sein. Fühlen, Sehen, Riechen, Schmecken, Hören. Meine Gedanken spielen mit den Sonnenstrahlen auf den groben Holzdielen. Ich denke über das Glück nach. Und plötzlich erreicht mich ganz deutlich die Erkenntnis: Es sind unsere Erwartungen die uns, wenn sie nicht erfüllt werden unglücklich machen. Es ist unser eigenes Bild, unsere Vorstellung von dem was sein soll, was uns dann letztendlich nicht glücklich macht, wenn es nicht so eintrifft. Damit verbunden ist die Einsicht, dass man Glück und Schönheit nicht festhalten kann. Genauso wenig wie Gefühle, wie die Liebe, kann man sie nur verschenken und sich schenken lassen.
Ich muss lächeln.. denn ich habe es gewusst, seit meiner Reise im Frühsommer kenne ich dieses einfache Geheimnis des „glücklich seins“. Da kommt mir auch eine Zeile aus einem Gedicht Hesses in den Sinn ..“Das Glück nicht mehr mit Namen nennst..“ Mein Herz ist frei und froh, und die Magie der Stunde begleitet mich als ich mein Hexenhäuschen verlasse, ein kleines Glück des Morgens.

 

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Was ist eigentlich „Zeit“ ???

Gestern habe ich mal wieder die Zeit vergessen. Ich fuhr in eine wunderschöne Stadt am Neckar um einen Freund zu treffen. Der Himmel war trübe, es regnete und die Kälte wollte auch nach mir greifen. Doch ich war froh mit mir selbst. Als ich an einer Eisdiele vorbeikam holte ich mir ganz „wettertrotzig“ ein leckeres Eis, spannte den Schirm auf denn der Regen wurde stärker.( die dunkle Wolke hatte sich wohl über meine Ignoranz geärgert..) und spazierte durch die Stadt. Ungläubige Blicke trafen mich und ich gab sie gut gelaunt zurück. Eis.. bei diesem Wetter Die Menschen hasteten eilig an mir vorbei. Mein Handy klingelte und ich erfuhr: „ Du, ich bin noch in einer Besprechung, also es dauert noch eine Weile.. Wo kann ich dich finden?“ Ich meinte: „ Bei den Büchern.. du weißt schon..“ Dann fand wie schon oft meinen Weg zu einem kleinen Antiquariat. Diese Läden haben eine andere „Zeit“.. Versuchen sie es doch mal. Man tritt ein und ist außerhalb der Gegenwart. Ich mag diesen Geruch nach altem Papier, nach abgegriffenen Bucheinbänden und ich mag die seltsame Stille die diese vergangene Bücherwelt umgibt. Es dauerte nicht lange und ich hielt ein geheimnisvolles Buch in den Händen und vertiefte mich dahinein. Die Wanduhr tickte leise.. nicht so wie die hektischen Uhren von Draußen.. nein es war eine leise Musik die nichts mit „Zeitmessung“ zu tun hatte. Ich weiß nicht wie lange. ich da saß. Was ist Zeit?? Plötzlich sprach mich jemand an. Ganz langsam kam ich aus dem Buch zurück und sah voller Freude, dass mein alter Freund vor mir stand der sich für sein reichliches zu spät kommen entschuldigte. Er vergisst nicht so leicht die „Zeit“, nein das soll die Technik verhindern. Ich lächle, nehme seinen „Zeitmesser“ vom Handgelenk und bin mir ganz sicher: Auch er wird heute die Zeit vergessen…

..“ Zum Erleben des Glückes bedarf es vor allem der Unabhängigkeit von der Zeit und damit von der Furcht sowohl wie von der Hoffnung, und diese Fähigkeit kommt den meisten Menschen mit den Jahren abhanden… „

H. Hesse

 

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Morgen im Frühlingswald

Gerade hat ein Freund angerufen und mich zu einem Morgenspaziergang eingeladen. Ich sehe die Sonne im Osten vielversprechend leuchten und sage mit Freude zu.
Schnell bereite ich ein leckeres Picknick, koche Tee den ich in eine Thermoskanne fülle und packe alles in den bunten Rucksack. Das wird bestimmt eine tolle Überraschung.
Wir wandern auf einem verschlungenen Pfad, schmecken die laue Morgenluft und freuen uns über den blauen Himmel der sich über uns spannt. Wir erreichen den alten wackeligen Jägerstuhl, der unser Rastplatz sein soll.
Ich mag es sehr hoch oben zu sitzen etwas entrückt von der Erde, um zu erzählen, die heißen Teetasse in den Händen.
Es ist wunderbar die Vögel zwitschern fröhlich und ein zarter Windhauch streift mein Gesicht. Ich höre zu. Eine Erzählung von Plänen und Träumen. Dann berichte ich von meinen kleinen Visionen.
Nach einer Weile werden wir ganz ruhig hören den Wald wie er erzählt, blinzeln in die nun schon warme Sonne und genießen die Zeit, die nun still steht.
Dieses sind meine liebsten Momente, die mich oft mit so Vielem versöhnen, Momente in der keine Erwartung in mir ist, nur Sein, nur Atmen, Hören und Staunen. Doch ganz zaghaft steigt eine Erinnerung an Vergangenes in mir auf und flüstert mir ein vertrautes Gedicht von Rilke zu.

Es winkt zu Frühling fast aus allen Dingen,
aus jeder Wendung weht es her: Gedenk!
Ein Tag, an dem wir fremd vorübergingen,
entschließt im künftigen sich zum Geschenk.

Wer rechnet unseren Ertrag? Wer trennt
uns von den alten, den vergangenen Jahren?
Was haben wir seit Anbeginn erfahren,
als dass sich eins im andern erkennt?

Als dass an uns Gleichgültiges erwarmt?
O Haus, o Wiesenhang, o Abendlicht,
auf einmal bringst du`s beinah zum Gesicht
und stehst an uns, umarmend und umarmt.

Durch alle Wesen reicht der eine Raum:
Weltinnenraum. Die Vögel fliegen still
durch uns hindurch. O, der ich wachsen will,
ich seh hinaus, und in mir wächst ein Baum.

Ich sorge mich, und in mir steht das Haus.
Ich hüte mich, und in mir ist die Hut.
Geliebter, der ich wurde: an mir ruht
der schönen Schöpfung Bild und weint sich aus.

R.M. Rilke

 

Nach einer Weile kommen wir zurück in die Zukunft. Als wir wieder auf dem weichen Waldboden stehen knie ich mich nieder und lege meine Hand auf die warme lebendige Erde.
Da spüre ich den verstehenden Blick meines Begleiters auf mir ruhen und alles ist wieder gut.

 

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Sommer…

Als ich gestern Morgen den herbstlichen Garten sah, dachte ich für einen Moment an die ersten Juniwochen zurück. An einen warmen sonnigen Spätnachmittag an dem ich ganz plötzlich einen Anflug von Herbst, von verblassenden Farben und von zartem Licht erspürte. Ich verwarf das Gefühl sogleich, denn ich wollte doch endlich den Sommer begrüßen den ich so sehnsüchtig erwartete. Doch kein Sommergefühl wollte mehr aufkommen auch die letzten schönen warmen Tage konnten dies nicht versöhnen. Es ist seltsam wie eng man mit der Erde verbunden sein kann wenn man ihre Sprache spricht.

Während ich dies schreibe fällt mir auch mein letzter Geburtstag ein der Mitte August war. Einer meiner Söhne wollten wissen was ich mir wünsche und wie ich den Tag verbringen möchte. Ich überlegte nicht lange und wünschte mir einfach nur den Tag so zu verleben wie ich es wollte. Von meinem Geburtstag als Feier mochte ich noch nie etwas wissen. Mein Sohn sagte daraufhin zu mir: Weißt du man könnte glauben du stammst aus den arabischen Ländern. Da feiern die Menschen ihren Geburtstag auch nicht, sie zählen nur die guten Sommer. Da musste ich lachen, denn so ist es wirklich bei mir. Die guten, die warmen und heißen Sommer, sei es gemessen an Sonnenstrahlen oder Herzenswärme die habe ich gezählt. Da ist mir jeder einzelne noch in Erinnerung. Die eher kalten, die einsamen und schmerzvollen Sommer also sind nicht in meiner „Jahreszahl“. Nun schmunzelte mein Sohn und meinte diese Zählweise sei doch für mich ganz angemessen das passe gut zu mir.

So gesehen bleibt man wirklich jung denn in diesem Jahr habe ich wieder ein Jahr “eingespart“.

 

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“Wie man einen Garten anlegt“

Mein wirklich allerliebstes Gartenbuch ist Karel Capek`s „Das Jahr des Gärtners“.
Seine vergnüglichen Worte voller Humor und Ironie machen einfach glücklich weil jedes Gärtnerherz darin die Weisheit und die Wahrheit des Gärtnerlebens erfährt. Dieses Buch ist für mich die schönste Liebeserklärung an den Garten.
Fall sie nun noch am zweifeln sind ob sie sich auf das lebenslange Glück eines Gärtners einlassen möchten oder nicht, lesen sie doch:

„Wie man einen Garten anlegt“

Ein Garten kann auf alle mögliche Weise angelegt werden: die beste ist wohl die, einen Gärtner zu nehmen.
Dieser Gärtner pflanzt Stöcke, Reiser und Ruten, von denen er nachher behauptet, dass es Ahorn, Weißdorn, Flieder, Hochstämme, Halbstämme und ähnliche Sorten seien; er durchwühlt den Erdboden, kehrt das Unterste zuoberst, ebnet alles wieder, streut Schlacke auf die Gartenwege, steckt hier und dort ein verwelktes Blatt in die Erde, wobei er uns erklärt, dass es perennierend sei, streut Samen für den künftigen Rasen, den er Englisches Raygras, Knäuelgras, Fuchsschwanzgras, Kammgras und Lieschgras nennt, empfiehlt sich und hinterlässt den Garten braun und kahl, er legt euch nur ans Herz, diesen lehmartigen Boden täglich sorgfältig zu begießen und, sowie das Gras zu wachsen beginne, Sand für die Gartenwege heranzuführen. Nun gut!
Man sollte meinen, einen Garten zu gießen sei die einfachste Sache der Welt, zumal wenn ein Schlauch zur Hand ist. Leider zeigt sich nur zu bald, dass ein Gartenschlauch ein ungemein hinterhältiges und gefährliches Gerät ist, das, solange es nicht gebändigt wird, sich krümmt, bäumt und hochschnellt, eine unschickliche Wasserlache unter sich lässt und genießerisch in den Schlamm taucht, den es auf diese Weise geschaffen hat; dann stürzt sich der schlauch auf den Menschen, der nun spritzen will, und windet sich um dessen Beine. Tritt man jedoch auf den Schlauch, so leistet er Widerstand und ringelt sich um Hüfte und Hals; während der Angegriffenen wie mit einer Riesenschlange kämpft, richtet das Ungeheuer seinen messingnen Rachen nach oben und speit einen mächtigen Wasserstrahl in die Fenster auf die soeben aufgehängten frischen Gardinen. Jetzt heißt es, ihn tatkräftig beim Kopf zu packen und zur Strecke zu bringen. Die Bestie tont vor Wut und speit Wasser, jedoch nicht aus dem Rachen sondern aus dem Hydranten und da und dort aus ihrem Leib. Beim ersten Mal bedarf es dreier Menschen ihrer Herr zu werden, jedoch alle drei verlassen den Schauplatz des Kampfes bis über beide Ohren mit Wasser und Schlamm bespritzt. Und was den Garten anbelangt, der verwandelt sich an einer Stelle in schlammiges Erdreich, während an einer anderen Stelle vor Trockenheit Risse entstehen. Wiederholt man dieses Verfahren, so beginnt nach vierzehn Tagen statt Gras Unkraut zu wachsen. Es scheint ein Naturgeheimnis zu sein, dass sich aus den erlesendsten Grassamen das üppigste und stacheligste Unkraut bildet; vielleicht müsste man Unkraut säen um schönen Rasen zu ernten.
Schon nach drei Wochen ist die Grünfläche dicht mit Disteln oder queckenartigem, tief ins Erdreich wurzelndem Unkraut bewachsen; versucht man es aber aus der Erde herauszuziehen, so reißt es oberhalb der Wurzel ab, oder man löst einen ganzen Erdklumpen heraus.
Es ist schon so: je größer ein Luder, um so mehr gedeiht es! Mittlerweile verändert sich durch eine geheime Metamorphose die Schlacke auf den Gartenwegen in klebrigen, schlüpfrigen Lehmboden.
Notwendigerweise müsste das Unkraut aus dem Rasen entfernt werden; du rupfst und zupfst, und hinter jedem deiner Schritte verwandelt sich die künftige Grünfläche in kahle, braune Erde, wie sie am ersten Tag der Schöpfung ausgesehen haben mag. Nur an zwei drei Stellen sprießt ein grünliches haariges Gebilde hervor wie hingehauchtes schütteres Moos; es besteht jedoch kein Zweifel: es ist gras! Auf Fußspitzen schleicht man umher, verjagt die Sperlinge, und während man noch auf den Rasen starrt, treiben schon die Stachelbeeren und Johannisbeersträucher ihre ersten zarten Blätter. Stets kommt einem der Frühling zuvor!
Dein Verhältnis zu den Dingen hat sich merklich geändert. Sobald es regnet, sagst du, dein Garten bekommt den Regen ab; sowie die Sonne scheint, ist es dein Garten, auf den sie strahlt; ist es Nacht, so freust du dich, dass dein Garten in ihrem Dunkel ruht.
Eines Tages öffnest du die Augen, und der Garten leuchtet in frischem Grün, an den Gräsern glänzt der Tau, an den Rosensträuchern erschließen sich bräunlich pralle Knospe, die großen breitastigen Bäume sind belaubt und spenden mit ihren schweren Kronen kühlen Schatten. Nichts erinnert mehr an den kleinen kahlen braunen garten jener Tage, nichts an den spärlichen Flaum des sprießenden Grases, an das dürftige Blühen der ersten Knospen, an all die erdige, armselige und rührende Schönheit des Gartens, als er angelegt wurde.
Ja, nun heißt es aber fleißig gießen, jäten und Steine aufklauben.

Aus: Das Jahr des Gärtners von Karel Capek

 

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Veredle dich…

Ein kalter Wind rüttelt am Dachgebälk und es hört sich fast wie ein Gemurmel an das etwas sagen möchte. Ich setze mich ganz nahe ans Ofenfeuer und lasse meine Gedanken mit den Stimmen des Windes spielen. Zuerst denke ich an meine Ideen und Vorstellungen, an meine Arbeit im Gartenjahr die ich nun gut planen sollte. Dann fällt mein Blick auf die vielen Bücherstapel die um mich herum verstreut liegen, meine Gedichtbändchen, Rilke, noch aufgeschlagen mit dem Gedicht: „ Deine Seele sing ich…“ meine Gartenbücher, meine Lieblingsbücher. Da hält und meine Hand plötzlich ein Buch in der Hand das mich sehr bewegt hat. Es kam Mitte Dezember in meinen Briefkasten geflattert. Ich las den Absender, den ich nicht kannte, erkannte meine Anschrift und legte das Päckchen auf den Beifahrersitz meines Autochens, denn ich hatte es eilig.
Die Vorlesekinder und ein vorweihnachtlicher Geschenke-Stadtbummel erwarteten mich. Danach fuhr ich nach Hause, im Herzen Freude über meine kleinen Geschenke die ich gefunden hatte und mit zunehmender Neugier: Wer hatte mir da ein Päckchen gesendet? Ein Päckchen von einem Unbekannten? Endlich, vor dem warmen Ofen, öffnete ich die geheimnisvolle Post und entdeckte ein Buch…von Jemand der einmal zu einem Teil meiner Selbst geworden war.
Ich halte inne um meine Gedanken wandern zurück, ein paar Jahre, einige Monate und einen Tag. Alles hat seine Zeit…
Ich suche diese mir zum Freund gewordenen Zeilen im Buch:

Gold braucht keinen Stein der Weisen. Aber das Kupfer, ja
Veredele dich
Was lebt, lass sterben: Es ist dein Körper
Was tot ist, erwecke: Es ist dein Herz
Was anwesend ist verstecke: Es ist das Diesseits
Was abwesend ist, lass kommen: Es ist das Jenseits
Was existiert; vernichte: Es ist die Begierde
Was nicht existiert, erzeuge: Es ist das Sehnen

Mein Telefon ruft mich zurück in die Zukunft voller Vorfreude auf meine baldige Reise sehnsuchtsvoll der Sonne entgegen.

 

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Ich will den Herbst!

„Ist es nicht, als wäre er das eigentlich Schaffende, schaffender denn der Frühling, der schon gleich ist, schaffender, wenn er kommt mit seinem Willen zur Verwandlung und das viel zu fertige, viel zu befriedigte, schließlich fast bürgerlich-behagliche Bild des Sommers zerstört? Dieser große herrliche Wind, der Himmel auf Himmel baut; in sein Land möchte ich gehen auf seinen Wegen.“

So beschreibt Rainer Maria Rilke seine Gefühle im Herbst und er beschreibt sie in seinen Herbstgedichten die ich so liebe wie seine gesamte Poesie.
Vorhin holte ich die letzten roten Zwiebelchen aus dem Gartenhäuschen und als ich es betrat spürte ich ein Spinnennetz auf meinem Gesicht das wohl in der Ecke des Türrahmens gehangen war. Ein wenig erschrak ich über das Gefühl diese fein gewobenen Spinnenfäden auf meiner Haut zu spüren und über den Augen. Für einen Augenblick war es als ob mich dieses zarte Gewebe festhielt. Dann streifte ich die Fäden ab, zupfte sie von den Händen und überlegte wo wohl die Spinne hingeflohen sei.
Während ich daran dachte erinnerte ich mich an die Spinnenweben im Speicher eines alten Bauernhauses und daran, dass ich als Kind regelrecht in Panik geriet wenn die dicke Spinne auf die Fliege zusauste die ihr einer meiner Cousins ins Netz warf.
Ich dachte an die Herbstzeit meiner Kindheit, die Kartoffelernte bedeutete, Rübenköpfe schnitzen und das „Große Ernten“: Äpfel und Birnen, Mirabellen und Zwetschgen. Duftende Teppiche von Hefekuchen in der Speisekammer. Ich dachte an die Erbsen, an Bohnen, an das Einstampfen des Sauerkrautes und an den Tag an dem Most gemacht wurde.
Später am wärmenden Ofen sitzend dachte ich an die reiche Vielfalt die diese Jahreszeit heute für mich bedeutet. Bestimmt immer noch die ungeheure Lust am Kochen und Backen, am Dekorieren. Immer mehr die Freude am Gartenfeuerchen zu sitzen und den köstlichen Geschmack der gerösteten Kartoffeln zu kosten und in Gedanken das Ende des Gartenjahres zu feiern. Oder die Streifzüge durch die Wälder und Hochebene die ihren goldenen Zauber ausstrahlen.
Da kommt mir auch ein Ausspruch meines liebgewordenen Hesse in den Sinn der meinte: ”Mit der Reife wird man immer jünger.“
Ich fühle ein inneres Lächeln und weiß er hat Recht. Die Sinne, das Erleben, werden schärfer, jeder Augenblick des Lebens wird kostbarer und intensiver.
Die reife Süße ist spürbar und wird zusammen mit der leise antönenden Melancholie um das Vergehen zum höchsten Lebensgenuss.
Der Herbst spielt auf allen Gefühlebenen, wie ein virtuoser Klavierspieler mal trifft er zart und leise oder rauschend und schnell seine Töne und die Seele schwingt in luftigen Höhen wie die silbernen Spinnenfäden oder sie ruht sich aus im duftenden Schoße der Erde.
Ja, ich denke diese Jahreszeit gibt uns nicht alleine den Früchtesegen, nein, sie lädt uns ein uns selbst loszulassen. Sie lehrt uns die Vergänglichkeit als Würze der Schönheit zu betrachten und zu lieben.

Ich will den Herbst!

 

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Frühling…

Solange wir Kinder unser Schneevergnügen hatten war der Winter schön. Aber irgendwann kam das Tauwetter und es regnete. Die Wiesen kamen wieder zum Vorschein, ein untrügliches Zeichen des nahenden Frühjahrs. Ich war solange dem Winter verhaftet bis ich eines Tages diesen wunderbaren Geruch erwärmter Erde in die Nase bekam. Gleichzeitig wurde die Luft samtzart, so dass sie die Haut umschmeichelte und nach Frühling schmeckte. Ich zog die dicken Pullover aus und fühlte ich mich ganz leicht. Eine Leichtigkeit des Herzens, eine ansteckende Fröhlichkeit war plötzlich in mir. Meine Cousins, wohl von den winterlichen Aktivitäten etwas kraftlos, verführte ich zu allerhand Streichen. Wir rannten den ganzen Tag durch die Hintertür des alten Bauernhauses rein und durch die Haustür wieder raus. Wir zogen lärmend durch den warmen Kuhstall, und schauten bei der Stallarbeit zu bis die Mannsleute genug von unserem Unsinn hatte und uns hinaus warf.
Immer wenn wir Hunger spürten  stürmten wir in die Küche. Wir machten uns gewaltige Stücke Schmalzbrot oder wir streuten etwas grobes Salz auf die dick mit goldgelber Butter bestrichenen Brote. Meine Vorliebe galt den, mit selbst gemachten „weißen Käse“ und Marmelade bestrichenen Brote. So gestärkt, wurden unsere Spiele immer übermütiger. Wir kletterten auf die Bäume wir bauten Höhlen aus Ästen und Zweigen.
Einmal hatte ich die Idee endlich eigenes Geld zu verdienen. Die Apfel und Birnbäume hatten gerade die ersten Knospen geöffnet. Ich hielt meine Mitstreiter an, diese kleinen „Blumensträußchen“ abzupflücken, .um sie dann im Dorf feil zu halten. Zuerst hatten wir einen tollen Erfolg. Die Leute lachten und kauften bei uns ein. Bald hatten wir einige Zehner und Fünfpfennigstücke gesammelt. Doch dann kam eine herbe Enttäuschung. Ein Bauer schimpfte mit uns und meinte diese „Blume“ könnte er sich schon selbst pflücken. Na, ja wir waren zu dem Zeitpunkt sowieso schon fast ausverkauft. Mit dem verdienten Geld liefen wir zum Bäcker und holten uns Brausetütchen und Nussschokolade.

Margit, mit warmherziger Erinnerung. März 2003

 

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