Weihnachtsgeschichten:

Nur geträumt! ...Margit
Wie Till Eulenspiegel Weihnachten gestohlen hat. ..Volksgut

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Nur geträumt!

In den letzen Tagen vor Advent kann ich, wie in jedem Jahr, eine Wandlung bei mir beobachten. Zuerst bin ich noch relativ entspannt, besuche meine Lieblingsgeschäfte in Eberbach und halte ein Schwätzchen. Dort beteure ich noch ganz ernsthaft: „Nee, in diesem Jahr lasse ich mich nicht anstecken, mit dem Weinnachtswahnsinn. Ich mache dieses Jahr mal auf „Weniger ist Mehr“ „Nein ich hab noch nix gebacken, und hab auch noch keine Zweige geholt“. Ungläubige Blicke, streifen mich, die ich aber lächelnd beantworte während ich die Tomaten und Gurken, Möhren und Bananen in meine Tüte stopfe. Das gleiche im Buchladen: „Nee ich hab noch nix gebacken...“ aber die kleinen süßen Büchlein sprechen mich an und schwups bin ich doch in die Überlegung vertieft wem ich welches schenke.

Dann aber spätestens in der Wochenmitte vor Advent spüre ich so etwas wie Fieber in mir aufkommen. Ich laufe in den Garten suche nach Töpfen und dem leicht angerosteten Draht von letztem Jahr. Herrgott, der muss doch noch irgendwo zu finden sein! Ich streichle die Buchsbäume etwas wild, weil ich keine Triebe finde, die ich schneiden könnte. Diesen werde ich nächstes Jahr nicht in Form bringen... denk ich bei dem größten Buchsbaum im Garten. Dann zieh ich mir die dicken Stiefel an und klemme trotz des „schlechten Wetters“ entschlossen den grünen Pflanzsack unter den Arm. Laufe in den Wald, sammle nasses Moos, Zapfen und ein paar Hand voll Zweige. Schleppe den Sack ins Gartenhäuschen während meine Fieberkurve weiter steigt.

Schnell eine Tasse Tee und einen herzigen Lebkuchen den mir meine alte Freundin neulich mitgegeben hat. Apropos Lebkuchen schwirrt es in meinem Kopf: Florentinerplätzchen, Zimtwölkchen, Apfelbrote... und ich zücke den Bleistift um mir alles zu notieren.
Dann noch mal raus die Eiben schneiden, die letzte müde Rose streicheln und wehmütig an Sommers Wärme und Obstkuchen denken.
Eine spontane Dekorationsidee lässt mich die Zinkgießkannen und Eimer unter der Gartenbank im Häuschen hervorzerren, und dabei fallen mir fast die im Dachgebälk hängenden Sensen auf den Kopf.
Ich mahne mich zur Ruhe, lass mich auf den Holzstuhl fallen und halte kurz inne. Meine alte schwarze Katze schaut herein und jammert ein bisschen, so als würde sie mir zustimmen in meinem Hadern mit der Kälte und der Sehnsucht nach der Sonne.

Genug gerastet, flüstert mir ein rotes Weihnachtsteufelchen ins Ohr dem ich brav gehorche, denn es hat ja recht: Advent naht und es müssen Kränze her! Komisch, alle Gelassenheit ist plötzlich verschwunden, denn wie sonst könnte ich mir 4 Strohkranzunterlagen und ein dickes Seil aus dem Keller holen? Bin ich verrückt? Frag ich mich als mir die Vision von ellenlangen Tannengirlanden und dicken Lichterkränzen die Tatsache vernebelt, nämlich dass die Zweige allerhöchstens für 2 Kränzlein reichen!
Das musst du ändern, schreit mir der kleine Rote ins Ohr, und ich schnappe den Autoschlüssel, lege die Rücksitzbank um und fahre zum Bauern der jedes Jahr den Hof voll Tannen hat.

Als ich zurückkomme, langsam, denn die feuchten Immergrüne streiften mir ins Haar und der Duft nach Harz und das Tannengeflüster sorgten für den allerletzten Kick, fragte mich mein Sohn der mir die Bündel aus dem Auto hievte, ob ich noch alle Zweige am Ast habe. Ich lachte ihn gewinnend an und lud ihn herzlich ein mir bei den „verlorenen Zweigen“ doch ein wenig zur Hand zu gehen was er jedoch vorsichtshalber ignorierte.
Zwischenzeitlich fing es an zu dunkeln und ein hässlicher Nieselregen ließ mich in den Wintergarten flüchten. Ich stolperte über den großen grünen Tannenhaufen auf den ich mich fallen ließ und sogleich in völliger Erschöpfung einschlief.

Als ich erwachte sah ich mich umwunden von zauberhaften duftenden Girlanden. Von der Decke schwebte ein goldener Engel der mit einem Zauberstab Lichtpunkte an die Fenster malte und ganz geschäftig alle dunkelrotsamtenen Kissen in den Sesseln aufschüttelte. Die lange Tafel war fein eingedeckt mit purpurrotem Damast und wertvollem Porzellan. Der rubinrote Wein leuchtete in den Kristallgläsern und die goldenen Kerzen strahlten in schweren Kandelabern.
Leise streiften mich die hellen Klänge einer wohlbekannten Weise und ein schwarz gekleideter Diener nickte mir aufmunternd zu als ich ihn gewahrte. Dann wurde es ganz still, nur noch das Knistern der flammenden Kerzen war zu hören und das Ticken der Wanduhr. Ich spürte Durst und erhob den Kelch den ich mit einem Zug leerte.
Mir wurde wohlig warm und mit einem Mal drehte sich alles um mich wie ein qualmender Sternenschweif der mich einhüllte. Ich versuchte meine Augen ganz weit zu öffnen aber das Licht war so hell, dass ich es immer wieder versuchte, doch meine Augenlider fühlten sich so unsagbar schwer an. Plötzlich wurde an mir gezupft. und etwas Federleichtes kitzelte mich an der Nase. Ich musste niesen!
Da war der goldenen Engel entschwunden und die pompöse Tafel war nur ein einfacher Tisch auf dem der Wickeldraht lag, das Moos und die Zapfen.

Oh, denk ich sehr erstaunt, ich muss eingenickt sein. Es war alles nur geträumt!

Ein paar Tage später. Genau zum ersten Advent ist dann doch alles genau so wie ich es mir vorstelle. Wie gut, dass ich rechtzeitig aus meinem Traum erwacht bin.

 

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Wie Till Eulenspiegel Weihnachten gestohlen hat.

Eine leichte Schneedecke lag über der Stadt Sterkdam in Holland.
Es war der Tag vor Weihnachten, aber die Menschen waren traurig.
Es gab Krieg zwischen Holland und Spanien, und hundert grimmige Soldaten, bewaffnet mit Flinten, Piken und Schwertern umzingelten die Stadt. Zwölf große Kanonen schossen eiserne Kugeln über die Stadtmauern, beschädigten Häuser, zerstörten Schornsteine. Aber die tapferen Einwohner von Sterkdam wollten sich nicht ergeben.
Die Stadttore waren verschlossen, so dass die Spanier nicht hinein stürmen konnten, aber die Spanier ließen auch niemand aus der Stadt hinaus. Lebensmittel wurden knapp, und bald gab es nichts mehr zu essen.
Jedermann war hungrig, vom Bürgermeister in seinem feinen Haus bis zum einzigen Gefangenen im Gemeindegefängnis.
Der gefangene hieß Till Eulenspiegel und war ein berühmter Dieb.
Man sagt von ihm, er könne die Eier unter einer Henne stehlen oder die Brille von deiner Nase. In Sterkdam gab es nicht viel zum Stehlen, und Till ließ sich verhaften und einsperren, um Kost und Quartier für den Winter zu haben. Mittlerweile konnten sie ihm aber nicht einmal mehr Brotrinde geben. Er stand am vergitterten Fenster, sah in den blauen Himmel und seufzte. Ein Knabe ging unten an der Straße vorbei und weinte. Till sah hinunter und fragte:“ Warum weinst du?“
„Ich bin hungrig“; sagte der Knabe. „Morgen ist Weihnachten. Es wird keine Geschenke geben und kein Weihnachtsessen. Nicht einmal der heilige Nikolaus könnte in die Stadt herein kommen, mit all diesen Spaniern ringsherum.“
Till starrte den Jungen an und dachte an all die vielen hungrigen Kinder von Sterkdam. „Vielleicht könnte ich helfen“, sagte er. „Verschaffe mir einen Kübel blauer Farbe und eine Bürste, und komm dann zurück, so schnell du kannst.“
Der Knabe eilte davon. Bald war er wieder da mit dem Kübel und der Bürste. Till hatte immer eine lange, dünne Schnur bei sich. Jetzt rollte er sie auf und ließ sie zwischen den Gitterstäben des Fensters hinunter.
„Leg die Bürste in den Kübel und binde das Ende der Schnur an den Henkel“; sagte er.
Der Junge tat wie ihm geheißen, und Till zog den Kübel hinauf. Er strich die Gitterstäbe des Fensters blau. Dann stellte er sich in die Ecke hinter die Tür und rief: „Auf Wiedersehen! Ich gehe jetzt!“
Der Wächter rannte herbei. Er schloss die Tür auf und öffnete sie. Das Erste was er sah war das Fenster ohne Gitterstäbe- denn die waren so blau wie der Himmel dahinter.
„Der Gefangene ist entflohen!“, rief er und rannte weg, um Hilfe zu holen. Die Zellentür ließ er offen. Till ging still aus dem Gefängnis hinaus auf die Straße. Das Bettlaken hatte er mitgenommen. Auf der Stadtmauer standen Wächter, und noch mehr Wächter gab es auf dem großen Stadttor. Auch die kleine eisen beschlagenen Tür, die zum Fluss hinausführte, wurde von einem Mann mit Flinte bewacht.
Till ging zu ihm hin und fragte: “Was tust du hier?“ „Meine befehle lauten, niemand hereinzulassen“, antwortete der Mann.
„Sehr gut“; sagte Till. „Da ich bereits herinnen bin, kannst du mich ja hinauslassen.“
Der Mann schloss die Tür auf. “Die Spanier werden dich töten“; warnte er Till.
„Nur wenn sie mich sehen,“ sagte Till. „Aber sie werden mich nicht sehen.“
Er hüllte sich ins Bettlaken und wurde im weißen Schnee unsichtbar. Er ging über den zugefrorenen Fluss zum anderen Ufer. Im Lager der Spanier waren die Vorbereitungen für den Weihnachtsschmaus schon in vollem Gange: Auf langen Spießen wurde Fleisch geröstet, und aus großen eisernen Kesseln, die über dem Feuer hingen, duftete es nach köstlichen Speisen.
Till schlich zu der Rückseite eines Zeltes und schlitzte die Plane mit einem kleinen Messer auf. Er guckte durch den Schlitz. Das Zelt war leer. Er schlüpfte hinein, und als er durch den Vordereingang herauskam, trug er eine spanische Rüstung und hatte über den Arm einen großen Umhang geworfen.
Er ging hinüber zu einer der Feuerstellen und nahm sich ein Stück Fleisch. Ein spanischer Soldat hielt ihn an „Wohin gehst du mit dem Fleisch?“ fragte er. „Es ist für den General“, antwortete Till in seinem besten Spanisch. Er hüllte das Fleisch in den Umhang. Dann ging er zum nächsten Feuer und nahm ein gebratenes Huhn. „Für den General“, sagte er.
Als er nichts mehr tragen konnte, fand er eine stille Ecke wo er das Essen ablud. Dann begann er wieder Speisen einzusammeln. Leicht wie eine Feder und still wie ein Rauchwölkchen huschte er hin und her, nahm Ketten von Bratwürsten, viele Laibe Brot, große runde Käselaibe, Lammkeulen, gebratene Gänse, dicke Scheiben Rindsbraten und jede Art von Süßigkeiten.
Aus dem Zelt des Generals stahl Till einen riesigen Kuchen. Als er mit dem Kuchen unter dem Umhang das Zelt verlassen wollte, sagte ein Soldat: „Halt! Was hast du da?“
„Ein Geschenk des Generals für den Hauptmann“, sagte Till und ging seines Weges.
Als es dunkel wurde verließen die Spanier ihre Wachposten, um zu Abend zu essen, und Till ging zu der ersten der zwölf Kanonen. Sie waren geladen. Er nahm die Kanonenkugel heraus und stopfte Speisen ins Kanonenrohr.
Das gleiche tat er bei der nächsten Kanonen und der nächsten, bis alle zwölf statt mit Kugeln mit Essen geladen waren.
Dann suchte er den Hauptmann der Artillerie.
„Herr Hauptmann“, sagte er und salutierte. „ich bringe eine Nachricht vom General. Sie sollen heute Abend alle Geschütze abfeuern, um der Stadt zu zeigen, dass wir auch am Weihnachtsabend keine Ruhe geben.“
„Aber wie können wir in der Dunkelheit zielen?“
fragte der Hauptmann.
„Ich schleiche mich in die Stadt und zünde im Kirchturm eine Fackel an“, sagte Till. „Dann können sie ihre Kanonen auf das Licht richten. Sie müssen sie alle gleichzeitig abfeuern.“
„Du bist ein tapferer Mann“, sagte der Hauptmann.
„Ich weiß“, sagte Till bescheiden. „Also achten sie auf mein Signal“. Er legte Helm und Rüstung ab und lief leise wie ein Schatten ans andere Ufer des Flusses.
Neben der Stadtmauer stand eine Windmühle.
Die Flügel drehten sich langsam im Abendwind. Till sprang auf den untersten Flügel. Die Windmühle trug ihn höher und höher, und als er hoch genug war, sprang er auf die Stadtmauer. Niemand hatte es gesehen. Alles war still. Die hungrigen Bewohner waren früh schlafen gegangen.
Till kletterte von der Mauer herunter, ging zum Hauptplatz und klopfte an jede Tür, an der er vorbei kam. „Wacht auf!“ Rief er, Wacht auf! Kommt heraus!“
Die Fenster öffneten sich. Die Leute schauten heraus und riefen. „Was ist geschehen?“ Mit Flinten, Schwertern, Fackeln und Laternen bewaffnet rannten sie auf die Straße, weil sie glaubten die Spanier würden angreifen.
Till nahm eine Fackel und lief die Stufen zum Kirchentor hinauf, wo ihn jeder sehen konnte. „Hört zu!“ schrie er, „der heilige Nikolaus wird gleich zu uns kommen.“
Der Bürgermeister, der eine Nachthaube aufhatte, schrie: „Das ist doch der Dieb Till Eulenspiegel! Fasst ihn! Verhaftet ihn!“
„Wartet!“ rief Till.
Aber schon eilten einige Männer mit gezückten Schwertern die Stufen zum Kirchentor hinauf. Till lief in die Kirche, schlug die Tür zu, verriegelte sie und sprang in den Turm, wo die großen Glocken hingen. Er lehnte sich hinaus und winkte mit der Fackel.
Die Leute starrten mit offenen Münden zu ihm hinauf.
„Schießt auf ihn“ befahl der Bürgermeister. „Er ist mit dem Feind im Bunde!“
Die Männer richteten ihre Flinten auf Till. Aber bevor sie abfeuern konnten - BUMM!- donnerten die spanischen Kanonen. Und es fielen gebratene Gänse und Hühner, Süßigkeiten und Brotlaibe vom Himmel. Runde Käselaibe sprangen auf den Dächern der Häuser umher. Eine Lammkeule fiel einer Frau in die Arme. Eine Kette von Bratwürsten schlang sich um den Hals eines Mannes. Der große Kuchen des Generals flog gegen den Kopf des Bürgermeisters, der ohnmächtig niedersank.
„Frohe Weihnachten!“ rief Till vom Glockenturm. Die Menschen jubelten und sammelten das gute Essen von der Straße auf.
Dann wurde ein Freudenfeuer auf dem Hauptplatz angezündet, und man feierte bis zum Morgengrauen.
Als am Weihnachtsmorgen die Glocken zu läuten begannen, erschien am Horizont eine Armee holländischer Soldaten, die gegen die Spanier anrückten. Die Spanier liefen davon, sie ließen ihre Zelte zurück, ihre Kochtöpfe und sogar ihre Kanonen. Das Stadttor wurde geöffnet und jeder fiel jedem in die Arme.
Am Abend des gleichen Tages gab es eine feierliche Zeremonie. Der Bürgermeister überreichte Till eine goldenen Kette mit einer Medallie, darauf stand: „Dem Dieb Till Eulenspiegel, der für die Bewohner von Sterkdam Weihnachten gestohlen hat“,

 

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